Bannkrieger
sie ihm deutlich an.
»Was redest du bloß?«, fragte er mit grässlich verzerrtem Gesicht.
»Ich spreche von dem GROSSEN, dem Gestaltlosen, dem Weltenschöpfer«, antwortete ihm Hatra mit gedämpfter Stimme, um die Brisanz ihrer Worte zu unterstreichen. »Nur wenige von euch wissen, dass er ein doppelgesichtiger Gott ist, Schöpfer und Zehrer zugleich. Wenn er das Chaos entfesselt, um die Dinge ins Wanken zu bringen, gibt es nichts und niemanden, der ihn von seinem Tun abhalten kann.«
Das verwirrte Rorn noch mehr. Verzweifelt suchte Hatra nach einer anderen Möglichkeit, ihm die Lage zu erklären, doch er presste bereits beide Hände auf die Ohren, um sie nicht länger zu hören. Blanke Panik flackerte in seinen Augen. Hatra spürte seine Verzweiflung, als ob es ihre eigene wäre, und seine Furcht, dass er all jene, die er liebte, umsonst ihrem Schicksal überlassen hatte.
»Hör auf damit!«, schrie er Hatra an. »Hör auf, so zu reden, und tu endlich etwas, damit Neele, meine Eltern und alle anderen gerettet werden! Es ist höchste Zeit! Wahrscheinlich überwinden die Lederhäuter gerade die Palisade!«
Hatra schüttelte erneut den Kopf – und das hätte sie besser nicht getan.
Noch während sie darüber nachsann, wie sich die Allgewalt der höheren Mächte erklären ließ, sprang Rorn blitzartig vom Schemel auf und umklammerte mit seinen großen, von der Schmiedearbeit gestählten Händen ihren Hals. Alle Schwäche war schlagartig von ihm abgefallen. Mit der Kraft von eisernen Zwingen presste er Hatras Kehle zusammen und drängte sie dabei so heftig zurück, dass sie mit dem Rücken gegen die Tischkante prallte. Die von Teller- und Becherringen übersäte Platte stellte sich schräg, sodass mehrere Tiegel und das Kristallgefäß ins Rutschen gerieten und hinabstürzten. Splitternd platzten sie auf dem Bretterboden auseinander.
Hatra versuchte nach einem der scharfen Messer zu langen, mit denen sie für gewöhnlich die Kräuter schnitt, doch ihre Hände stießen ins Leere. Der ungestüme Angriff hatte sie völlig überrascht. Geschwächt, wie sie war, und so heftig, wie Rorn sie schüttelte, fehlte ihr die Kraft zur Gegenwehr. Ein menschliches Genick wäre längst unter seiner rohen Attacke zerbrochen, doch in Hatras Adern floss das Blut einer vor vielen Generationen untergegangenen Rasse. Mochte sie auch alt und verletzlich aussehen, so war sie doch widerstandsfähiger als so mancher junger Mensch.
In seiner haltlosen Raserei warf Rorn sie hart zu Boden. Winzige Spitzen bohrten sich in Hatras Rücken. Sie stammten von dem zerschellten Kristallgefäß.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich das befreite Schattengespinst zwischen den Scherben aufbäumte und in Rorns Richtung kroch. Auch wenn es nur die Sorge um seine Liebste war – der Hass und die unkontrollierte Wut, die den jungen Schmied beherrschten, lockten das Gewirk an, nährten und kräftigten es. Hatra konnte nichts dagegen unternehmen.
»Luft!«, presste sie nur krächzend hervor. »Du erwürgst mich ja!«
Das Flackern in seinen Augen büßte nur wenig von seinem Glanz ein, doch ihre Worte erreichten den alten Rorn, der immer noch in ihm steckte, immerhin so weit, dass er seinen harten Griff lockerte. Nicht sehr viel, gerade weit genug, dass sie wieder zu Atem kam. Gierig schnappte sie nach Luft, die sich brennend einen Weg in ihre Lungen bahnte.
»Bleib von mir aus hier, wenn du dich verstecken willst«, knurrte Rorn zornig.
Die Hexe hätte darauf gern etwas erwidert, doch seine Daumen lagen so fest auf ihrem Kehlkopf, dass ihr die Entgegnung im Halse stecken blieb.
»Ich kehre jedenfalls ins Dorf zurück, um mit den anderen zu kämpfen«, fuhr er knurrend fort. »Und du webst mir gefälligst einen Zauber, der mir die Kraft gibt, diese elenden Lederhäuter zu überwinden! Normale Waffen verletzen die Scheusale nicht, sie fürchten nur das Feuer und den Sumpf. Erschaffe mir eine Klinge, die genauso tödlich für sie ist.«
Während er mit einer Hand ihre Kehle weiterhin umklammert hielt, löste er die andere von ihrem Hals und langte damit nach der Kette, die sie trug, um das Lederband mit einem harten Ruck zu zerreißen. Der Bernstein, die Opale und die Perlmuttstücke, die darin eingeknotet waren, klapperten aneinander, als Rorn die Kette vor ihrem Gesicht hin- und herschwenkte.
»Mach etwas damit«, forderte er. » Irgendetwas, das mir hilft, den ungleichen Kampf zu gewinnen.«
Rorn verstand viel zu wenig von Magie, um zu
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