Bannkrieger
entgegen. Als er den Waldrand erreichte, wusste er auch warum.
Flammender Schein erhellte die Nacht. Beim Anblick der brennenden Palisaden bäumte sich Rorn wie unter Schmerzen auf. In seinem Kopf begann es zu tosen. Zu spät! , schrie es laut in ihm auf.
Ein fürchterliches Kreischen erfüllte seine Ohren. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass er selbst es war, der seinen Schmerz in die Welt hinausbrüllte.
Er versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, doch das Dröhnen unter seiner Hirnschale schwoll unaufhaltsam an.
Den Streithammer fest umklammert, rannte er zum Dorf hinab. Beißender Rauch zog über die Wiesen hinweg und verursachte Rorn ein Kratzen im Halse, das er erfolgreich ignorierte.
Die von dichtem Qualm umhüllte Palisade war an mehreren Stellen durchbrochen worden. Durch die geschlagenen Schneisen hindurch sah er Schatten, die an lodernden Hütten entlanghuschten. Sein Verstand geriet ins Taumeln. Auf einmal handelte er nur noch instinktiv, allein von dem Willen beherrscht, seinen Angehörigen zu Hilfe zu eilen.
Die Hitze verkrallte sich wie mit glühenden Nägeln in seinem Gesicht und versuchte ihm die Haut vom Fleisch zu reißen. Als er die von großen Splittern gesäumte Bresche im Palisadenzaun passiert hatte, ließ das Stechen in den Wangen zwar nach, dafür stolperte er beinahe über die ringsum verstreut liegenden Toten, die Spuren blanken Stahls aufwiesen.
Zwischen den Hütten waberten fette, ölig wirkende Schwaden, die unzählige Opfer mit ihrem Dunst umwehten. Unter den Leichen befand sich kein einziger Lederhäuter, nur Menschen. Männer, Frauen und Kinder des Dorfes, lauter bekannte, durch tiefe Wunden entstellte Gesichter, deren Züge zu blutigen Masken erstarrt waren.
Von irgendwoher drang Schwerterklirren an Rorns Ohr. Es wurde also noch gekämpft, das beflügelte seine Schritte.
Sein Gehör hatte ihm keinen Streich gespielt, der Lärm kam tatsächlich aus Richtung der Schmiede. Dorthin hatte sich ein Häuflein Aufrechter zurückgezogen und leistete mit Feuer und Schwert verzweifelt Widerstand.
Von einem Wall erschlagener Leiber umgeben, standen dort Vorg und drei andere Männer Schulter an Schulter. Sie schwangen lodernde Fackeln wild umher, um ein halbes Dutzend Lederhäuter auf Abstand zu halten. Mit rußgeschwärzten Gesichtern und bereits aus zahlreichen Wunden blutend, setzten sie alles daran, den auf sie eindringenden Feind am Durchbruch zu hindern. Das große Tor hinter ihnen stand weit offen, doch anstatt hindurchzufliehen und sich zu verbarrikadieren, steckten sie immer neue Hiebe und Stiche ein, ohne einen Fußbreit zurückzuweichen.
Rorn verstand nicht, was die Kämpfer mit ihrem Wagemut bezweckten, bis hinter ihnen Neele, Bera und Prill mit dampfenden Kohlenschaufeln und Eimern auftauchten. Auf ihren Warnschrei hin sprangen die Männer zur Seite, um dem Gluthagel zu entgehen, den die Frauen entfachten. Mit dem Mut der Verzweiflung schleuderten sie rot glühende Kohlenstücke aus ihren Behältern, die zischend auf die Lederhäuter einprasselten.
Die sonst so erschreckend unempfindlichen Kreaturen wichen umgehend zurück. Widerlich zirpende und knackende Laute drangen unter ihren Masken hervor, während sie sich vor Schmerzen wanden. Dort, wo die hellrote Glut auf Fellbesatz traf, züngelten Flammen empor. Unter dem Einfluss der großen Hitze entzündeten sich selbst kürzeste Borsten und loderten in wenigen Atemzügen lichterloh.
Noch schlimmer wirkte es, wenn sich ein Kohlenstück so tief in das Leder brannte, dass es darin stecken blieb. Die beiden Getroffenen, denen genau das widerfuhr, brachen ihren Angriff ab, um sich zunächst von diesem Quell der Pein zu befreien.
Rorn spürte eine Woge warmen Stolzes in sich aufsteigen. Sein Vater hatte gut daran getan, sich zur Schmiede zurückzuziehen. Nur in der Esse, an der er an diesem Tag bis in die Nacht gearbeitet hatte, um die liegen gebliebene Arbeit aufzuholen, konnte er eine Hitze entfachen, die für die Lederhäuter gefährlich war. All die anderen Widerstandsgruppen, die im ganzen Dorf verstreut kämpften, hatten nichts Vergleichbares anzubieten.
Außer jener im Vorratslager, die ein Pechfass vor der Tür ausgegossen und seinen Inhalt entzündet hatte. Doch den schwarz verkohlten Leichen nach, die neben den geschrumpften Flickenhäuten schwelten, hatten das auch mehrere Verteidiger mit ihrem Leben bezahlt. Zudem war der Speicher bei dieser Gelegenheit mit abgebrannt.
Vorg und die anderen
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