Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bannsänger

Bannsänger

Titel: Bannsänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
Vom Netzwerk:
vibrieren. Ein brennendes Prickeln durchlief Jon-Toms gesamten Körper, durchstrahlte ihn als glitzernde Hitze.
    Er spielte weiter, obwohl es sich jetzt anfühlte, als glitten seine Finger durch die Saiten, anstatt sie zu zupfen. Glasflaschen klirrten auf dem Arbeitstisch, und Bücher trudelten aus ihren Regalen, als das Herz des Baumes selbst vom Klang erzitterte. Für alle, die sich in seinem Innern aufhielten, schien der ganze Wald zu beben.
    Der Höhepunkt des Songs näherte sich, das Ende der Ballade, und er war immer noch im Baum. Er versuchte, Clodsahamp seine Hilflosigkeit zu übermitteln, seine Unsicherheit, was er als nächstes tun sollte. Vielleicht verstand der Hexer sein banges, forderndes Starren. Vielleicht hatten sie auch nur eine der Natur der Sache gemäße gute Zeitabstimmung.
    Eine heftige gelbgrüne Explosion löschte Wolken, Nebel und Strudelsphäre aus. Eine große unsichtbare Faust schlug Jon vor die Brust und ließ ihn zurücktaumeln. Er stieß gegen die Wand, stolperte ein paar Schritte und fiel nach rechts. Schriftrollen, Schädelfragmente, an die Wand gehängte ausgestopfte Köpfe, Holzspäne und splitter, Pulver und Kleidungsstücke regneten auf ihn herunter. Im Innern des Kreises begann sich ein weißlicher Dunst aufzulösen.
    Er schenkte ihm wenig Beachtung, da er ihn sehen konnte – was nicht hätte sein dürfen. Er hätte nämlich zu Hause sein müssen, vorzugsweise in seinem Zimmer oder bei einem Seminar – selbst inmitten des Feierabendverkehrs einer Hauptstraße wäre es ihm recht gewesen.
    Statt dessen lag er in diesem Baum auf dem Hintern. »Es hat nicht funktioniert«, murmelte er laut. »Ich bin immer noch hier.« Er fühlte sich wie der Held in einem Kriegsfilm, der die Munitionskammer seines Schiffes hochgejagt hat und nun mit dessen Eroberern untergeht.
    Der Rest des Dunstes verzog sich. Er hielt den Atem an, denn neben seinem Selbstmitleid nahm er jetzt noch etwas anderes wahr.
    Eine hochgewachsene junge Frau, ziemlich genau einen Meter achtzig groß, saß mit leicht gespreizten Beinen in der Mitte des Kreises. Sie stützte sich mit den Armen nach hinten ab und blickte sich mit einer völlig angemessenen Miene der Bestürzung um. Langes schwarzes Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
    Sie trug einen absurd kurzen Rock und ein Höschen in der gleichen Farbe, dazu Stiefeletten und Kniestrümpfe sowie einen Sweater, auf dessen Vorderseite vier große Buchstaben in Blau prangten. Ihr Gesicht war eine überwältigende Kreuzung zwischen dem einer Tijuana-Professionellen* und einer Tintoretto-Madonna.
    [* Tijuana – mexikanische Stadt in der Nähe der kalifornischen Grenze; Vergnügungszentrum für US- Amerikanische Touristen. – Anm. d. Übers . ] Kohlschwarze Augen so schwarz wie die von Mudge, und milchkaffeebraune' Haut.
    Sie rappelte sich unsicher hoch, klopfte sich nicht vorhandenen Staub ab und sah sich um.
    Clodsahamp rollte sich mit Pogs Unterstützung von seinem Rückenpanzer. Als er auf allen vieren war, konnte er aufstehen. Er begann nach seiner Brille zu suchen, die ihm durch den Stoß von der Nase geschleudert worden war.
    Eine Delle in der Baumwand zeigte genau, wo er aufgetroffen war.
    »Was ist passiert?« fiel es Jon-Tom ein zu fragen, die Augen immer noch wie hypnotisiert auf die Frau gerichtet. »Was ist schiefgegangen?«
    »Du bist offensichtlich nicht zurückgekehrt«, erklärte Clodsahamp trocken, »aber jemand anderes wurde zu uns herübergezogen.« Er starrte den Neuzugang an und fragte eifrig: »Meine Liebe, solltest du vielleicht ganz zufällig ein Innschinneur sein? Oder Zauberin oder Wunderheilerin, oder Hexe, wie wir sie hier herum kennen?«
    »Sangre de Christo!« keuchte das Mädchen und trat vorsichtig einen Schritt von dem Schildkrötenhexer zurück. Dann hielt sie inne. Ihre Verwirrung und Angst wurden durch aufflammende Wut ersetzt.
    »Was ist das hier, ha? Comprende tortuga? Versteht ihr mich?« Sie drehte sich langsam um. »Wo zum Teufel bin ich?«
    Ihre Augen verengten sich, als sie Jon-Tom entdeckte. »Du... kenne ich dich nicht irgendwoher?«
    »Dann gehe ich also recht in der Annahme, daß du kein Innschinneur bist?« fragte Clodsahamp verzagt.
    Sie sah ihn über die Schulter an. »Ingenieur, ich? Infier n o, nein! Ich bin Studentin der Theaterwissenschaften an der Universität von Kalifornien in Los Angeles. Ich war auf dem Weg zu unserer Cheerleader-Ubung*, als... als ich mich plötzlich in einem Alptraum wiederfinde.
    [*

Weitere Kostenlose Bücher