Bannstreiter
handelte. Wäre sie zerbrochen, hätte er wohl unter Kimues Kontrolle gestanden. Zumindest falls sie inzwischen wusste, wie solcher Bannzauber zu bewirken war.
»Wo hast du die her?«, verlangte er zu wissen.
»Von Perac!«, beschied ihm seine Favoritin. »Er hat mir gestanden, dass seine Hexe solche Tränen nutzt, um dich zum Bock für ein paar königliche Bastarde zu machen, die fortan über Simwae und die Nordermark herrschen sollen.«
»Närrisches Gestammel!«, fluchte er erbost. »Ich weiß genau, was die Hexe von mir will, aber auch, wie ich es ihr versagen kann. Perac sucht mit diesem Gerede nur seinen eigenen Vorteil, wie alle Schlangenzungen.«
»Es gehört mit zum Bann, dass du dich nicht für verzaubert hältst«, widersprach Kimue, ohne ihn dabei anzusehen. Und als wäre das nicht schon Beleidigung genug, zog sie auch noch blank und begann, von fieberhafter Unruhe gepackt, die runde Turmkammer zu durchsuchen.
»Wo hat sich diese Buhle versteckt?«, rief sie immer wieder aus. »Ich lasse sie meinen Stahl kosten, bevor sie weiteres Unheil anrichten kann.« Dabei fuchtelte sie wie wild mit ihrer Klinge umher, ja, stieß sie sogar in einen Kissenstapel.
»Komm wieder zu dir!«, verlangte Eonis aufgebracht. »Hatra ist nicht hier, das siehst du doch! Außerdem wohne ich ihr nur bei, damit sie uns den Weg zu den Zyklopen ebnet. Ich habe sie schon so weit, dass sie uns auf die andere Seite der Mauer bringen will. Und das alles ganz ohne elende Schlangenmagie!«
Verächtlich schüttelte er die Faust, mit der er die Träne umschlossen hielt, um zu zeigen, wie wenig er sie fürchtete.
Aber Kimue war noch viel zu aufgebracht, um sich schon wieder zu beruhigen. In Ermangelung einer Rivalin, die sich aufspießen ließ, sprang sie auf den Para zu, der – von allen lautstarken Vorgängen völlig unbeeindruckt – wie gewöhnlich auf seiner Stange saß.
»Elendes Buhlengeschenk!«, schnaufte sie dabei. »Du bist mir schon lange zuwider!«
Einige Atemzüge lang sah es wirklich so aus, als würde sich der träge Vogel widerstandslos den Kopf kürzen lassen. Kurz bevor ihn der scharfe Stahl durchbohren konnte, schwang er sich jedoch in die Lüfte. Funken stoben auf, als Kimues Klinge gegen die Marmorwand prallte.
»Krah! Krah!« Der sonst so stumme Vogel stieß einige schaurige Krächzlaute aus, die selbst in Eonis’ Ohren wie purer Hohn klangen.
Erbost wollte Kimue ebenfalls zur Decke aufsteigen, um dem über ihr kreisenden Tier zu Leibe zu rücken, doch Eonis verspürte wenig Verlangen danach, seine Schlafstätte mit Blut besudelt zu sehen. Wütend packte er seine Favoritin an den Flügelansätzen und zog sie fest zu sich heran.
»Jetzt reiß dich endlich zusammen, Weib!«, forderte er in einem Tonfall, der unmissverständlich klarmachte, wer von ihnen der König und wer die Favoritin war. »Ich sage dir doch, dass ich die Hexe beherrsche, und nicht sie mich!«
»Wenn sie Kinder von dir bekommt«, heulte Kimue plötzlich los, »wird Perac vor aller Welt beschwören, dass du bei ihrer Zeugung unter Hatras Bann gestanden hast!«
Es waren wirklich Tränen, die unter ihrem Helmrand hervorliefen. Bei allen Steppengöttern! Er hatte Kimue noch nie zuvor weinen sehen! Zum Glück nutzte der Para einen Spalt in den umherflatternden Vorhängen, um ins Freie zu flüchten. Seines Anblicks entledigt ließ Kimue endlich das Schwert sinken.
»So weit wird es nie kommen«, versicherte Eonis, bevor er ihr zärtlich in den Nacken biss.
Seufzend spreizte seine Favoritin die Fellschwingen und presste sich mit dem Rücken fest an ihn. Ihr Schwert fiel scheppernd auf den Marmorboden. Zufrieden verstärkte Eonis den Druck seiner Kiefer, bis sie sich seinem Werben ganz und gar hingab. Obwohl er lieber darauf verzichtet hätte, ihre Flügel später in seinem Gesicht zu spüren, liebkoste er sie weiter, bis sie sich nach vorne über beugte.
Er wusste, dass das der einfachste Weg war, ihren Zorn zu besänftigen. Und manchmal gab es eben Pflichten, denen auch der Herrscher aller Leu ganz einfach nachkommen musste.
16. Bannstreiters Fluch
Angesichts der sich dramatisch zuspitzenden Ereignisse griffen auch Rorn und seine Gefährten zu den Waffen, während die Pilger, die sie umstanden, in Panik gerieten. Schreiend wandten sich die Ersten von ihnen zur Flucht.
Rabold setzte sich indessen mit seinem Ring zur Wehr, und zwar auf ganz ähnliche Weise, wie es Venea mit ihren Schlangenarmbändern vermochte. Feurige Schläge trieben
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