Barakuda der Wächter 02 - Die Mördermütter von Padan
niemanden mehr, den das noch interessiert.«
Neben Bergen, Savannen und Sümpfen weist der Nordkontinent von Shilgat auch eine Anzahl Wüsten auf, größere und kleinere, mehr oder weniger leblos. Im Herzen einer der größeren Wüsten findet sich eine fast runde Fläche mit bei nahe einhundertfünfzig Kilometern Durchmesser. Die Fläche ist tot und tödlich, sie ist Tod. Es gibt keine Wasserstelle, wohl aber von Salzsand überwehte Abgründe, die sein können, wo vor kurzem noch eine begehbare Wegstrecke gewesen sein mag.
Im Zentrum der Wüste steht ein uralter Laubbaum. Sein Stamm ist mächtig und bizarr geformt, die Krone ausladend. Die Wurzeln umgeben den einzigen unterirdischen Quell in all dieser Leblosigkeit.
Das Leben, heißt es bei den Shil, ist absurd und ein Cha os. Ordnung läßt das Leben erstarren und tötet es. So ist dies der Heilige Ort. In der leblosen Ordnung Wüste erhebt sich absurd und bizarr das Chaos Leben, Der Baum Der Bäume, Der Baumbaum. Es gibt eine Steigerung des Lebens und des Todes: Ordnung und Chaos unauflöslich miteinander verbunden, einander durch Nähe noch ferner und gleich.
Es gibt keine Götter, nur das göttliche Chaos. Der Wär metod des Alls ist das Erlöschen des göttlichen Chaos; Entropie ist ein Ordnungsprozeß.
Welcher Ort könnte heiliger sein?
Der Gleiter stand neben dem unglaublichen Laubbaum. Ly dia Hsiang und Dante Barakuda gingen langsam zum Krater, den vielleicht ein Vulkan, vielleicht ein Meteor hinterlassen hatte. Ein steiler Pfad führte an der äußeren Kraterwand zu einem Einschnitt; sie durchkletterten die Enge und stiegen in den Krater hinab. In der Mitte des Kessels schienen sich Luft und Zeit zu stauen.
In der gespenstischen Lautlosigkeit hörten sie weder den eigenen Atem noch die eigenen Schritte. Später fragten sie sich (und einander), ob Erschöpfung und Zweifel sie vielleicht nicht betäubt, sondern besonders aufnahmebereit gemacht hatten. Ohne es geahnt zu haben, wußten sie, daß sie ins Zentrum der konzentrischen Reihen versteinerter Figuren gehen sollten.
Sie ließen sich auf dem glasierten Boden nieder. Um sie herum saßen die Heilerinnen und Heiler der Shil, die Fürsten und Fürstinnen des Nordens. Barakuda überflog die Reihen; das, dachte er mit einem Anflug von Enttäuschung, können nicht alle sein.
Es sind alle. Nicht nur aus dem Bereich, den ihr Nordkontinent nennt, auch die aus dem Süden, aus Sa’orq und Kelgarla, und die von den Inseln.
Die Stimme sprach in ihren Köpfen. Etwas wie eine kraftvolle Aura hüllte sie plötzlich ein, und sie waren für Momente Teil der Einheit.
Tremughati war dabei und Gortahork und Saravyi, und doch waren sie weit fort. Dante nahm auch Lydias Gedan ken wahr, jene, die an ihn und die Einheit gerichtet waren.
Nur einmal sind Alle leiblich hier versammelt gewesen. Das war, als wir beschlossen, die Stadt, die ganz Shilgat war, und die Maschinen aufzugeben. Und die Gleichheit wieder in der Vielfalt zu leben. Und die Verwirrung des Regelwerks für Alle in das klare Chaos für Jeden heimkehren zu lassen.
(Tremughati:) Die beiden letzten Konklaves, wie ihr sie nennt, Freunde, dienten der Vorbereitung des heutigen. Das erste beriet über die Bedrohung durch Pasdan, Gashiri und Banyadir und erdachte einen Plan. Das zweite billigte das Abkommen mit dem Commonwealth.
(Dante:) Welchen Plan?
(Lydia:) Einen Plan, der noch immer gilt?
(Gortahork:) Er gilt, und wir erfüllen ihn. Ihr, indem ihr am Heiligen Ort seid und bald tun werdet, wovor ihr euch fürchtet, andere auf andere Weise. Ich reite durch den Nor den des fruchtbaren Landes der sieben Ströme. Aber genug von uns. Die Einheit spreche.
So erfuhren sie, daß es keine Einheit, sondern eine Vielheit war, in der nichts verlorenging. Sie erfuhren alle Pläne der Matriarchen und die lange, lange vorbereiteten Gegenmaßnahmen des Konklaves, und sie erfuhren, wie sehr der phantastische Plan Billigung fand.
Wir werden helfen. Über Pasdan wird eine Aura dessen liegen, was ihr ›Märchengläubigkeit‹ nennt.
Lydia dachte eine schwierige Frage. Ordnung ist die Versklavung aller Einzelheiten des Lebens durch einen beliebi gen von ihnen. Philosophische Ordnung, staatliche Ord nung, die Ordnung von Pasdan. Ihr, die ihr das Chaos liebt, seid doch ebenfalls eine Ordnung?
Wir schämen uns, des Chaos nicht würdig zu sein. Aber wir wissen, daß die vielen selbsterdachten Ordnungen nicht wahr sind, sondern Spiel, deshalb doch Chaos und ungeeig
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