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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Niemand mehr wagte hindurchzuschauen.
    Es verging Zeit, die klebrig anmutete.
    Nur das Mädchen mit dem Kohlestift und dem Pergament war immer noch geblieben. Ihr Bild schien fertig zu sein. Stolz hielt sie es dem Barbaren hin. Ihre Fingerspitzen waren geschwärzt von der Kohle.
    Er konnte nichts erkennen. Sein Blick war trüb wie der eines sehr alten Mannes. In seinen Ohren rauschte es wie Wasserfälle.
    Langsam machte er zwei hinkende Schritte auf das Mädchen zu, während derer er sich den Degen aus dem Beinmuskel zog. Das Metall glitt durch seinen Muskel wie durch etwas Fremdartiges, sorgfältig Eingeöltes.
    Das Mädchen hatte ein Bild gezeichnet. Nicht von dem Kampfgeschehen. Sondern nur von ihm. Er sah sehr ruhig aus auf diesem Bild. Beinahe schön. Seine Augen schauten ganz knapp am Betrachter vorbei, als sähe er etwas in der Ferne, in der Zukunft. Als hätte er eine Zukunft. Das Mädchen konnte ausgesprochen gut zeichnen. Jeder würde ihn auf diesem Bild erkennen.
    Er brummte etwas und stand noch eine Weile in ihrer Nähe. Sie konnte seinen Schweiß riechen, seine Wut, die an ihm trocknete. Den Schmerz und das Aushauchen der anderen. Aus seinem Schenkel rann nichts. Alles, was rot war, gehörte nicht ihm.
    Dann berührte er sie oben auf dem Kopf, wie um sie zu streicheln oder zu segnen, vielleicht aber auch nur, um sich kurz aufzustützen. Er wandte sich ab und hinkte davon, der Krümmung der Gasse hinterher, an der gekenterten Sänfte vorbei, die Frauen mit den Tonkrügen suchend, doch da war niemand mehr, alles war geflohen. Selbst die Gasse wirkte nun breiter, und der Himmel über dem Garten mit dem Zaun hatte eine Farbe, als hätte man etwas aus ihm herausgelöst und versteckt.
    Die blutige Spur des Barbaren wurde von Schritt zu Schritt undeutlicher, bis sie auf dem Pflaster nicht mehr zu entziffern war.

üBeRWäLTiGeN
     
    Sein Steckbrief hing jetzt überall.
    Die Kohlestiftzeichnung des Mädchens aus der Gasse. Der Barbar staunte darüber, wie das überhaupt möglich war, dass an so vielen Orten ein und dieselbe Zeichnung hing. Immer wieder blieb er mit schief gelegtem Kopf davor stehen und betrachtete sein eigenes Bild.
    Jeder Mast war ein Spiegel.
    Jedes Anschlagbrett enthielt sein schwarz-weißes Gespenst.
    Menschen zogen los, ihn zu erlegen, denn auf seinen Kopf war eine stattliche Prämie ausgesetzt.
    Er konnte nicht lesen, aber er konnte spüren, wie sich von überall her etwas zusammenbraute, das ihn sehr wichtig nahm.
    Das Wetter verfinsterte sich, als runzelte der Himmel die Stirn.
    Der Erste, der es versuchte, war ein seltsamer lila gekleideter Exzentriker, dessen flaumumrahmte Lippen ebenfalls lila glänzten. Er trabte hoch zu Ross, mit einem weiten lilafarbenen Umhang, der hinter ihm das Herbstlaub aufwirbelte, und war mit drei Hunden unterwegs, drei unterschiedlich großen, einem vierschrötigen Aufspürer, einem langbeinigen, schlanken Läufer und Melder und einem großen, schweren Beißer. Diese Hunde waren ein Problem. Ihretwegen gelang es dem Barbaren nämlich nicht, den Lilafarbenen abzuschütteln. Selbst durch zwei Flüsse hindurch war dieser immer noch in der Lage, ihm zu folgen, wohlberitten und damit deutlich schneller als der Barbar zu Fuß. Zusätzlich wurde der Barbar noch durch seine Schenkelwunde behindert. Er hatte sie ganz alleine behandelt. Getan, was in seiner Macht stand, um eine Verschlimmerung zu verhindern. Die Verletzung war auch einigermaßen unter Kontrolle. Aber die andauernde Beanspruchung einer Flucht erschwerte den Heilungsprozess.
    Mehrere Tage und Nächte hindurch folgte ihm der lilafarbene Spuk. Der Umhang wie ein fliegender Teppich immer von Gebell umrahmt hinter ihm im Gelände.
    Eigentlich mochte der Barbar Hunde. Sie hatten so ehrliche Gesichter. Aber nicht, wenn sie zähnefletschend hinter ihm hergegeifert kamen. Manchmal konnte er ihr Gebell hören, obwohl sie noch Stunden entfernt sein mussten. Es kollerte zwischen den Hügeln umher wie etwas Verselbstständigtes. Wie eine hustende Sprache, die einzig und allein ihm galt.
    Er musste sie loswerden.
    Die akademische Axt und das Stierlingsschwert erwiesen sich dabei weiterhin als eine wundervoll zu handhabende Kombination. Er empfing die Hunde auf einem mit buntem Laub überspülten Abhang, sodass sie hinaufstürmen mussten und er nach unten austeilen konnte. Der kleine Spürhund starb als Erster, dann der bullige Kämpfer. Der Langbeinige verhielt sich am klügsten und kläffte lieber sein Herrchen

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