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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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unbewaffnet. Die beiden passten zueinander, fand der Barbar.
    Dieser Standort war nachteilig. Die Fenster boten keine Rückendeckung, man konnte durch sie hindurch beworfen werden, ohne dass man das rechtzeitig bemerkte.
    Er ging von dem näher kommenden Tumult weg in die andere Richtung der Gasse. Beinahe gelassen sah das aus. Er flüchtete nicht. Schlenderte eher. Dabei kam er an den Frauen mit den Tonkrügen vorbei. Es imponierte ihm, wie die beiden ihre schwere Last nicht abgelegt hatten, als alles zum Stillstand gekommen war. Vielleicht konnte er sie hinterher wiederfinden und ihre unbeeindruckbaren Mienen mit Hilfe seiner Münzen aufhellen. Vielleicht. Aber wahrscheinlich würden sie weg sein, nachdem geschehen war, was nun als Nächstes geschehen musste. Sie würden, wie so viele, zu Erinnerungen verkommen. Und schließlich nicht einmal mehr dazu.
    Er musste nicht lange suchen. Schon zwanzig Schritt weiter fand er ein massives Haus mit nur schartenschmalen Fenstern. Dieses im Rücken zu haben erschien ihm einigermaßen günstig.
    Die Menschen starrten ihn an wie einen Geist. Viele drängelten jetzt von hier weg, andere schwärmten von hinten nach, weil sie bislang noch nicht hatten mitbekommen können, was überhaupt los war.
    Er fasste seine Axt mit beiden Händen wie ein Kriegsbeil und erwartete die Büttel. Es war schade, dass der Stierling sein prächtiges Schwert mit durchs Fenster genommen hatte.
    Die Büttel stießen und rempelten sich voran. Passanten gingen zu Boden. Die Geschichte wiederholte sich, wieder und wieder, und niemand stand dagegen auf. Was waren die Städter bloß für nichtssagende Menschen?
    Die Büttel waren zu fünft. Als sie die Sänfte erreichten, hielten sie sich nicht lange auf. Zu viele Schaulustige deuteten mit ihren Fingern auf den Barbaren zwanzig Schritt weiter. Mehrere der Schaulustigen beschrieben sein Ohrgehänge, als wäre dies ein einprägsameres Attribut als seine blutverschmierte Axt. Die Büttel entsicherten ihre lederummantelten Eisenknüppel und Schmalschilde und hetzten zwei vorne, drei dahinter auf den Barbaren zu. Ihre Gesichter waren länglich wie die von Wölfen, ihre Wangen jedoch tadellos rasiert wie die von Lustknäblein.
    Er erwartete sie. Hieb dem ersten die Axt in den Schmalschild, zog ihn dadurch an sich heran und benutzte ihn als Deckung gegen die anderen. Nur einer von denen schlug überhaupt zu, die anderen wussten nicht, wohin sie zielen sollten, und kamen in ihren Angriffsbemühungen zum Erliegen. Unterhalb hebelte er seine Axt aus dem Schild, während er seine Deckung erdrosselte, die Speichel sprühend Worte zu formen versuchte. Mit der Axt von unten drang er in einen der Zögernden. Dann, in der neuerlichen Deckung des Geplärres und Gezappels des Schwerverwundeten, noch in einen zweiten. Zwei wichen zurück. Er wechselte den Griff. Seine Deckung war nun beinahe tot, bald würde das charakteristisch letzte Aufbäumen durch ihn rollen. Der Barbar mochte es, dieses letzte Beben zu spüren. Es beinhaltete Endgültigkeit. Seine Lippen gaben seine Zähne frei, die an den Seiten wie die eines Tieres geformt waren.
    Er wartete. Die Verwundeten versprühten Blut und Eingeweide, die umherklatschten wie nasse Schlangen. Das Beben kam und verlosch. Er ließ den Toten los und brachte die Axt ganz nach oben. Der, den er angriff, kreischte wie ein Weib. Er durchhieb ihm den Schädel, sodass Schmalz aus den Ohren sprühte. Der Letzte erinnerte sich wenigstens noch seiner Ausbildung und setzte sich zur Wehr. Dreimal ging es hin und her: Angriff, Abwehr, Gegenangriff, Ausweichen, Angriff, Abwehr. Dann erwischte er ihn im Arm, zerrte daran, riss ihn herum, sich selbst frei, tauchte unter einem Hieb hindurch, schlug zu, und es war vorbei. Jetzt klebten Zähne an der Axtklinge wie Schmuckkiesel. Es war einfach. Gegen mehrere, die sich überschätzten, weil man ihnen beigebracht hatte, dass sie sich gegenseitig beistehen könnten, war es immer einfach.
    Die Menge atmete in einem gemeinsamen Zug aus.
    Dann entstand Panik. Alles bewegte sich. Selbst die Häuser schienen zurückweichen zu wollen.
    Und mitten durch diese Unüberschaubarkeit hindurch stürzte sich der Stierling. Mit wutverzerrtem Gesicht, Fensterglasscherben und Hühnerfett in Gesicht und Bart. Er drosch so rasend schnell auf den Barbaren ein, dass dieser kaum parieren konnte. Und etwas Seltsames ereignete sich, Bestandteil einer jeden Aufschaukelung: Der Gewalttrieb übertrug sich auf die Menge der

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