Barbarendämmerung: Roman (German Edition)
unbeständig, mal von halbhinten, dann wieder von halbvorne. Der Barbar überlegte, den Nagelwald zu umgehen, um den Wind möglichst von vorne zu bekommen. Dafür wiederum war es ratsam, Rinnen zu benutzen, um ungesehen Strecke machen zu können.
Er hatte sich gerade umgewandt, um die nächste geeignete Rinne zu suchen, als er hinter sich ein Geräusch hörte. Er fuhr herum.
Zwischen den Zacken des Nagelwaldes stand ein Vogel. Ein Vogel, wie er noch nie einen zu Gesicht bekommen hatte. Er schien nicht flugfähig zu sein, jedenfalls wirkten seine zwei angriffslustig abgespreizten Flügel nur wie Stummel. Seine Beine jedoch waren dickschenklig und kräftig. Sein Schädel schien nur aus Schnabel samt tückisch blickenden Augen zu bestehen. Der Vogel war annähernd mannshoch. Er legte den Kopf schief und gurrte keckernd.
Der Barbar richtete sich aus seiner angespannt geduckten Haltung auf. Nun überragte er den etwa hundert Schritt entfernten Vogel deutlich, um Kopfeslänge. Der Vogel schien seine Unterlegenheit zu durchdenken, jedenfalls legte er den Kopf immer wieder ruckartig schief, in verschiedenen Haltungen.
Der Barbar bleckte die Zähne. Sie allein waren noch weiß in seinem rot verschmierten Gesicht.
Etwas raschelte und tappte. Dann schossen drei weitere Vögel zwischen verschiedenen Zacken hervor. Auch der eine, der bislang die Aufmerksamkeit des Barbaren auf sich gelenkt hatte, setzte sich nach vorne in Bewegung. Diese Laufvögel waren schnell, sehr schnell. Mit weit ausgreifenden Schritten überwanden sie die Distanz. Brüchiges Gestein platzte unter ihren massiven Angriffskrallen.
Der Barbar dachte nicht lange nach. Er warf sich herum und rannte zur nächstgelegenen Rinne zurück. Obwohl er hundert Schritt Vorsprung hatte, schaffte er es beinahe nicht, die Rinne zu erreichen, bevor der vorderste der Vögel ihn eingeholt hatte, so viel schneller als er waren diese Tiere. Aber es gelang.
Er sprang nicht über die Rinne hinweg. Die Vögel hatten viel kräftigere Beine als er und wären nicht abgestürzt, sondern ihm mit Leichtigkeit gefolgt. Er sprang stattdessen hinab, was wegen der allgegenwärtigen Scharfkantigkeit kein ungefährliches Manöver war. Er landete, rollte sich schmerzhaft ab, kam hoch und presste sich abermals gegen eine Wand, gegen die, über die er gesprungen war. Seine Verfolger ließen sich nicht abschütteln. Keifend wie Jagdhunde purzelten sie zu ihm hinunter und wollten gegen ihn vordringen.
Der Barbar entging ihren Schnäbeln, indem er sich wieder aus der Rinne emporstemmte, kaum dass die vier hinter ihm hergesprungen waren. Sie folgten ihm, indem sie – mit ihren Flügelstummeln flatternd – auf ihren kräftigen Krallenbeinen die Rinnenwand emporklommen. Doch dort oben erwartete sie die Klinge des Hauptmannsschwertes. Dem vordersten der Vögel durchhieb der Barbar mit einem mächtigen Rundumschlag den Hals, einem zweiten fügte er immerhin einen empfindlichen Stich in die Brust zu, aber dann waren die beiden anderen schon heran, und er musste vor ihren hackenden Schnäbeln weichen. Er rannte, strauchelte. Sie wären auch ohne sein Straucheln viel schneller gewesen als er und gelangten über ihn, die nackten Beine tanzten wie Baumstümpfe mit Krallenwurzeln um ihn herum. Ihre an mächtige Zangenkiefer gemahnenden Schnäbel schnappten nach ihm. Sie hatten sogar gesägte Dornen an den Schnabelspitzen, furchtbare Waffen gegen Mensch und Tier.
Abermals vermisste er einen Schild. Er hatte einmal einen getragen und ihn oftmals als sperrigen Ballast verflucht, aber gegen eine pickende und hackende Überzahl gab es nichts Besseres. Auch ein zweites Schwert hätte ihm nun wieder gutgetan. Er brauchte unbedingt eins. Und bessere Rüstung. Einen Helm vielleicht. Wenigstens ein Haarband.
Die Vögel waren schnell und wendig und ihr Gefieder zäh wie Draht. Angriffslustig gesträubt schützte es den Körper vor den Streichen des Barbaren. Nur ein frontaler Stich konnte diese Deckung durchdringen.
Ein Schnabel hackte ihm in die linke Schulter, einer sogar in den Kopf, aber es gelang dem Barbaren, einen der Vögel zweimal zu durchbohren. Das Tier taumelte schreiend und stummelflatternd rückwärts und brach dort zusammen. Der, den er beim Verlassen der Rinne bereits verwundet hatte, drang am wütendsten auf ihn ein. Ihm durchschlug er ein Bein knapp über den Krallen, wo es schmaler war als weiter oberhalb. Einbeinig konnte der Vogel sich nicht halten und stürzte zur Seite, wo er wild um
Weitere Kostenlose Bücher