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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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war es wohl nicht, aber eine beachtliche Kerbe, deren Fleisch auch schon zu einer Beule anschwoll. Alles gut gegangen. Aber ein Helm konnte tatsächlich hilfreich sein gegen so etwas.
    Als er aufstand, schwankte die Erde noch ein wenig, die Zacken des Nagelwalds wie eine Krone auf dem Haupt eines furchtsamen Königs.
    Aus einer Laune heraus rupfte der Barbar sich eine Feder aus einem der toten Vögel und knotete sie sich an einen Haarstrang. Die Leute sollten ruhig sehen, was er bezwungen hatte.
    Dann bewegte er sich weiter aufwärts, den Zacken entgegen. Dem Drachen, wenn es ihn wirklich gab. Oder dem, was sonst noch dort lauern mochte.
    Innerhalb der Zacken war es abwechselnd taghell und nachtfinster. Geometrische Schatten beherrschten das Bild. Der Gestank von kochenden, faulen Eiern wurde jetzt wieder stärker. Die Felsen selbst schienen ihn auszuschwitzen. Für einen Moment befiel den Barbaren ein furchtbarer Gedanke: Was, wenn der gesamte Nagelwald der Drache war, die Zacken nichts anderes als Hornschuppen auf seinem Rücken? Wenn sich jetzt alles in Bewegung setzte, fast das gesamte Massiv, beinahe die ganze Welt, als brüllendes Ungeheuer, das jeglicher Beschreibung spottete? Aber wie sollte es möglich sein, dass die Anwohner einen Drachen als Wald bezeichneten? Gab es eine solche Verrücktheit? In den Städten vielleicht. Aber hier draußen inmitten der Berge? Konnte ein Berg ein Unwesen sein und ein Unwesen nichts weiter als ein Berg?
    Sein Kopf machte ihm immer noch Probleme, er überschlug sich und überschlug sich, obwohl er doch durch den Hals befestigt sein musste.
    Er suchte sich einen Weg durch die Zacken hindurch und verirrte sich. Alles sah hier gleich aus, zertrümmert und angelaufen von etwas Silbrigerem als Rost. Einmal hörte er eines der Flederwesen rascheln – es hing weit oben kopfüber von einem Vorsprung und schien sich vor dem Barbaren in seinen eigenen Flügelfalten verstecken zu wollen. Bald stand er wieder am Ausgang nach draußen und wusste doch, dass er die Mitte noch lange nicht erreicht hatte. Also kehrte er um und suchte sich einen anderen Weg hinein. Auch dieser führte ihn über mehrere Abbiegungen wieder zum Rand. Beim dritten Versuch jedoch klappte es: Inmitten des Nagelwalds erreichte der Barbar ein wie eine gigantische, aufgeklappte Artischocke geformtes Herz.
    In der Mitte dieses erzenen Herzens lag ein Nest, zusammengebastelt aus Zweigen und Stroh und den Knochen von Opfern, gefüllt mit geplündertem Gut und einem ohnmächtigen oder toten Knaben. Von dem Drachen war nichts zu sehen. Der Gestank jedoch war hier im Zentrum am durchdringendsten.
    Der Barbar huschte näher, Schatten ausnutzend, die in Zackenform zum Nest zeigten.
    In dem Nest fand er mehrere seltsame Schätze: einen Ring, der glatt schien und dennoch beschriftet. Zwei schwarze Runenschwerter, die so filigran und künstlich wirkten, dass sie ihm eher wie Zierden vorkamen als wie tatsächliche Waffen. Eine Klinge in Form einer Flamme. Ein kleines goldenes Kästchen an einem schmalen Halsband, das aus blauen und grünen Steinen mit Goldkugeln dazwischen gefertigt war. Dieses schien der älteste Gegenstand von allen zu sein und schon bei Berührung zu Staub zerfallen zu wollen. Weiterhin eine leere Schatztruhe, die roch, als wäre sie mit Branntwein gefüllt gewesen. Ein Metallhalsband. Ein feines, warmes, glänzendes Hemd mit sonderbaren Mustern darauf. Und allerlei anderen Kram. Nur einen Helm fand er nicht. Einen Helm, den er so gut hätte brauchen können.
    Beinahe widerwillig schaute er sich auch den Knaben genauer an. Der Junge hatte Quetschungen und Krallenrisse, schien aber nicht tot zu sein, sondern eher vor Erschöpfung eingeschlafen oder aufgrund des beißenden Geruches ohnmächtig geworden.
    Der Barbar überlegte nur kurz. Der Vater war gestorben, der Junge eine Last. Ihn zu irgendwelchen Weingütern zu schleppen, ergab keinen Sinn. Man würde ihn eher für einen Entführer, Räuber und Erpresser halten als für einen Retter. Er beschloss, dem Knaben eines der beiden schwarzen Schwerter dazulassen, dann konnte er sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, wie man das von einem Jungen der Wildnis ebenfalls verlangt hätte.
    Ansonsten raffte er sich so viel zusammen, wie er tragen konnte, hastig, ohne Wertungen vorzunehmen oder Unterschiede zu machen.
    Und als er sich gerade mit seiner Beute zurückziehen wollte, schleppte sich ihm hinter einem der Felszacken hervor der Drache genau in den Weg.
    Dieser

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