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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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sich schnappend zu rotieren begann. Der Barbar warf sich dreimal hintereinander über die spitzen Splitterkiesel aus der Reichweite des Vogels, um nicht in diesem schrecklichen Wirbel zerfetzt zu werden. Der Wirbel schien ihm zu folgen, begierig darauf, Verkrüppelung mit Verkrüppelung zu vergelten.
    Ein Vogel war noch unverwundet.
    Ihn trieb der Barbar mit ein paar ungerichteten Hieben wenigstens zurück, sodass er selbst endlich auf die Beine kommen konnte. Seine Kopfwunde schmerzte, aber ob sie blutete, konnte er nicht ausmachen, weil er ohnehin über und über mit Blut verklebt war. Mit den Fingern fühlte er jedoch eine richtige Scharte im Schädel, möglicherweise sogar ein Loch. Ob es mit Haaren verklebt war oder ob dort bereits Gehirnmasse austrat, das herauszufinden hatte er keine Zeit.
    Er musste dem wirbelnden Einbeinigen ausweichen, während der Unverwundete gegen ihn vordrang. Ganz unwillkürlich war das Gesicht des Barbaren dermaßen schmerzverzogen, dass er seine Augen kaum noch aufbekam. Jetzt hätte er gerne die roten Beeren gehabt, die der Dorfälteste ihm damals gegeben hatte. Um alles um ihn herum zu verlangsamen. Oder einen Helm. Wenigstens einen Helm, um die Schmerzen drinnen zu halten.
    Der Vogel attackierte, indem er mit beiden Krallenfüßen nach vorne gegen ihn sprang. Der Barbar, der mit einem solchen Angriff gar nicht gerechnet hatte, wurde nach rückwärts getrieben, wo der Wirbel des Einbeinigen ihn aus dem Stand fegte. Alle drei Wesen polterten kreischend übereinander. Dicke Federn stoben auf. Der Barbar hielt an seinem Schwert fest, als gälte es sein Leben, und so war es auch. Ohne die Klinge wäre er verloren gewesen. Er wollte sie wie eine Weltachse in den Boden rammen, um alles darum herum zu befestigen. Aber der Boden war zu unnachgiebig.
    Sein Schädel dröhnte, als er auf die Felsen schlug. Es fühlte sich an, als würde IHM der Kopf aufplatzen und durch das ohnehin schon vorbereitete Loch alles hinaussprühen – Vergangenheiten, Zukünfte, Erinnerungen, Begierden und Träume. Zwei seiner Träume konnte er noch fliehen sehen. Sie waren ohnehin kindisch gewesen.
    Er nahm das Schwert als Rückgrat und verhärtete sich dadurch. Zuerst beendete er den Wirbel, der ihm wieder und wieder ins Kreuz trat und ihn vorantrieb über Funken sprühende Formationen. Er suchte und fand ein fühlendes Herz. Das brachte er zum Stillstand. Dann war da nur noch der Unverwundete. Das weithin einzige unverletzte Wesen überhaupt, wie es ihm schien. Er hieb nach seinem Hals, aber der zuckte vor und zurück wie eine zustoßende Schlange. Er hieb viermal daneben. Die Zacken des Nagelwalds rotierten in seinen Augen vor Anstrengung. Der Himmel färbte sich tiefrot, klarte dann mit dem nächsten Blinzeln wieder auf, als verliefe dickflüssiges Öl. Unten war Stein. Oben war der Feind. Er schlug noch mal zu. Und noch mal. Ein letztes Mal. Ein allerletztes Mal. Ein wirklich allerletztes Mal.
    Und dann war Ruhe. Der Kopf des Vogels klatschte neben ihm zu Boden, die Augen verdrehten sich, die Zunge zitterte im weit aufgerissenen Schnabel. Der Leib rannte noch ein paar Schritte, mit angehobenen Stummeln. Wie eine Dame, die versucht, ihren Kleidsaum aus Pfützen herauszuhalten. Dann brach das Tier zusammen. Blut breitete sich aus, in Fontänen und in Seen.
    Der Barbar blieb liegen.
    Er wusste, dass es nicht klug war, liegen zu bleiben. Er befand sich auf offenem, feindseligem Feld. Es mochte noch weitere solcher Raubvögel geben. Es gab auch noch Flederwesen. Wenn die übrig gebliebenen Fledertiere jetzt zu einem gemeinsamen Angriff ansetzten, würden sie ihn lebendigen Leibes fressen können, ohne dass er sich wehrte. Und es gab noch etwas anderes. Was war das denn bloß gewesen? Ach ja!
    Ein Drache.
    Gab es diesen Drachen überhaupt? Oder war der Angriff auf den Vater und den Sohn ein Werk dieser Vögel gewesen? Die Wunde des Pferdes schien dazu zu passen. Aber hatte der Vater seinen Sohn nicht davon fliegen gesehen? War das Einbildung gewesen? Hatten die Laufvögel und die Fledertiere gemeinsam angegriffen und dadurch einen verwischten Eindruck von Krallen und Himmel erzeugt?
    Er ärgerte sich. Zu viel Denken machte langsam und alt. Es ärgerte ihn immer, wenn er seinen Kopf nicht im Zaum halten konnte.
    Seinen offenen Kopf.
    Er setzte sich auf. Ringsum war alles ruhig, bis auf einen der vier Vögel, der immer noch, obgleich todwund, mit dem Gefieder raschelte. Der Barbar befühlte seine Kopfwunde. Ein Loch

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