Barbarossa, Botticelli und die Beatles
oder dem kommunistischen Warschauer Pakt unter dem Einfluss der Sowjetunion zu folgen. Für den Westen stehen meist die alten Kolonialherren, die ihren Einfluss und ihre Besitzstände rücksichtslos zu verteidigen versuchen. Ein afrikanischer Sozialismus und die Anlehnung an die Sowjetunion scheinen reizvoll.
Egal welcher Weg beschritten wird, im Endeffekt entwickeln sich in allen ehemaligen afrikanischen Kolonien nun Diktaturen. Nur die Ausprägung ist verschieden. In den prowestlichen Diktaturen dulden die ehemaligen Kolonialmächte aus geopolitischen und wirtschaftlichen Gründen grausame Unterdrückungsregimes wie in Zaire, dem ehemaligen Belgisch-Kongo (heute Demokratische Republik Kongo) unter Mobutu Sese Seko. In den sozialistisch orientierten Staaten setzen sich Diktatoren an die Spitze von Einheitsparteien. Die Gesellschaften leiden in beiden Fällen unter korrupten Machteliten. Da die Menschen an das Überleben der eigenen Familie denken müssen, entsteht keinerlei Bürgersinn.
In diesem Spannungsfeld steht Julius Nyerere für die Idee eines eigenständigen afrikanischen Sozialismus. Nyerere ist eines von 26 Kindern eines Stammesführers, den einst noch die deutschen Kolonialherren in der nun britischen Kolonie Tanganjika eingesetzt haben. Der gläubige Katholik wird Lehrer und studiert später in Großbritannien an der Universität von Edinburgh Wirtschaft und Geschichte. 1954 gründet Julius Nyerere die tansanische Nationalpartei TANU. 1960 wird er Premierminister Tanganjikas und 1962 Staatspräsident der Vereinigten Republik Tansania.
In der Deklaration von Arusha von 1967 formuliert Julius Nyerere seine Ideen eines afrikanischen Sozialismus. Schlagworte sind ujamaa (sinngemäß: »Gemeinschaftssinn«) und self-reliance (»Selbstverantwortung«, »Eigenständigkeit«). Gegenseitige Achtung, gemeinsames Eigentum und die Verpflichtung zur Arbeit sieht er als die drei Eckpfeiler des Ujamaa-Prinzips,das weitgehend auf Tansania beschränkt bleibt. Das Konzept der self-reliance findet hingegen über Tansania hinaus Resonanz in Ostafrika und über Jahre hinweg in den Zielvorstellungen der Entwicklungspolitik.
Nach einer verheerenden Wirtschaftskrise tritt Nyerere 1985 zurück. Sein vielleicht größter Erfolg ist, dass das Land Fortschritte in der Bildungspolitik verzeichnen kann und nicht wie fast alle anderen ehemaligen afrikanischen Kolonien in Bürgerkriege und andere Waffengänge verstrickt wird. Doch letztlich scheitert Nyereres Politik. Tansania gehört zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu den ärmsten Ländern der Welt.
Juscelino Kubitschek de Oliveira und der Aufbruch Brasiliens
Juscelino Kubitschek de Oliveira lebt von 1902 bis 1976
Das multiethnische Brasilien hat seit jeher einen besonderen Blick für die Moderne, was der Wahlspruch ordem e progresso (»Ordnung und Fortschritt«) unterstreicht, der die Nationalfahne ziert. Wichtige Weichen stellt in den Fünfzigerjahren Juscelino Kubitschek de Oliveira.
Sein Vater ist Handlungsreisender, Juscelinos Mutter erzieht den Sohn alleine. Sie ist gebürtige Tschechin, daher auch der in Brasilien ungewöhnliche Nachname Kubitschek. Juscelino studiert Medizin, wird später Bürgermeister der Stadt Belo Horizonte und 1955 Gouverneur des Bundesstaates Minas Gerais. Im gleichen Jahr kandidiert er für das Amt des Staatspräsidenten von Brasilien und gewinnt die Wahl mit dem Slogan »Fünfzig Jahre Fortschritt in fünf Jahren«.
Kubitschek umgibt sich mit den Intellektuellen des Landes und versucht Brasilien von einer ländlichen Gesellschaft zu einer urbanen zu transformieren. Ihm gelingt es, Vertreter aller politischen Lager an einen Tisch zu bringen. Mit einer Mischung aus Nationalismus, Populismus und Wirtschaftslenkung versucht er den Einfluss der USA zurückzudrängen. Kubitschek fördert den Aufbau der Autoindustrie und lässt das brasilianische Straßennetz ausbauen. Seine größte und richtungweisende Leistung ist der Bau der Hauptstadt Brasília im Herzen des Landes.
Der Architekt Oscar Niemeyer und der Stadtplaner Lúcio Costa übernehmen die Umsetzung. Niemeyer will eine Architektur, die, beeinflusst von Le Corbusier, als Kunst die Gesellschaft formen soll. Atemberaubende Gebäude stehen in weiter, flacher Parklandschaft, wie die Residenz des Präsidenten, die über dem Boden zu schweben scheint.
Im April 1960 wird die neue Hauptstadt von Kubitschek eingeweiht. Anders als gewollt, spaltet sich die Stadt sozial. In den von Niemeyer großzügig
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