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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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Freitag anrufen. Und jetzt ist Montag. Aber ganz, wie Sie wollen. Es ist eines, an die Frauen zu glauben, und ein anderes, zu glauben, was sie sagen.«
Ich verließ die Buchhandlung, ging zum öffentlichen Fernsprecher an der Ecke und wählte die Nummer der Aguilars. Nach dem fünften Klingeln nahm jemand ab und horchte schweigend, ohne etwas zu sagen. Fünf endlose Sekunden verstrichen.
»Bea?« flüsterte ich. »Bist du es?«
»Du Schweinehund, ich schwöre dir, ich prügle dir die Seele aus dem Körper«, schlug es mir entgegen.
Die Stimme war kalt und beherrscht. Das machte mir am allermeisten Angst. Ich konnte mir Señor Aguilar in der Diele seiner Wohnung an dem Telefon vorstellen, das ich so oft benutzt hatte, um meinem Vater zu sagen, ich würde später kommen, nachdem ich den Nachmittag mit Tomás verbracht hatte. Stumm hörte ich Beas Vater atmen, und fragte mich, ob er mich wohl an der Stimme erkannt hatte.
»Ich sehe, du hast nicht genug Mumm, um zu sprechen, du Mistkerl. Jedes Stück trockene Scheiße ist imstande, zu tun, was du getan hast, aber ein Mann würde wenigstens nicht kneifen. An deiner Stelle würde ich mich in Grund und Boden schämen, wenn ich wüßte, daß ein neunzehnjähriges Mädchen mehr Schneid hat als ich. Sie hat nämlich nicht sagen wollen, wer du bist, und sie wird es auch nicht sagen. Ich kenne sie. Und weil du nicht den Mut hast, für Bea den Kopf hinzuhalten, wird sie für das büßen, was du getan hast.«
Als ich einhängte, zitterten meine Hände. Ich war mir meines Tuns nicht bewußt gewesen, bis ich die Telefonzelle verließ und mich wieder zur Buchhandlung zurückschleppte. Das hatte ich nicht bedacht – daß mein Anruf Beas Lage nur noch verschlimmern würde. Meine einzige Sorge war es gewesen, meine Anonymität zu wahren, mich zu verstecken und diejenigen zu verleugnen, die ich zu lieben vorgab, die ich in Wahrheit aber nur benutzte. Das hatte ich schon getan, als Inspektor Fumero Fermín verprügelt hatte, ich hatte es wieder getan, als ich Bea ihrem Schicksal überließ, und ich würde es erneut tun, sobald sich Gelegenheit dazu böte. Zehn Minuten blieb ich auf der Straße und versuchte, mich zu beruhigen, bevor ich den Laden wieder betrat. Vielleicht sollte ich noch einmal anrufen und Señor Aguilar sagen, ja, ich bin es, ich bin bis über beide Ohren in Ihre Tochter verschossen, das ist es. Wenn er dann in seiner Kommandantenuniform kommen und mich vermöbeln will – soll er!
Ich war schon beinahe wieder im Laden, als ich feststellte, daß mich von einem Hauseingang auf der andern Straßenseite aus ein Mann beobachtete. Ich blieb stehen, um ihn ebenfalls anzuschauen, und zu meiner Überraschung nickte er, als wollte er mich grüßen und mir bedeuten, es störe ihn nicht im geringsten, daß ich ihn gesehen hatte. Das Licht einer Straßenlampe fiel seitlich auf sein Gesicht, das mir bekannt vorkam. Er trat einen Schritt vor, knöpfte seinen Mantel bis oben zu, lächelte und ging zwischen den Passanten Richtung Ramblas davon. Da erkannte ich in ihm den Polizisten, der mich festgehalten hatte, während Inspektor Fumero Fermín angriff. Als ich in den Laden trat, schaute Fermín auf und warf mir einen fragenden Blick zu.
»Was machen Sie denn für ein Gesicht?«
»Fermín, ich glaube, wir haben ein Problem.«
Am selben Abend setzten wir den Plan in Gang, den wir einige Tage zuvor mit Don Gustavo Barceló ausgeheckt hatten.
»Zuerst müssen wir uns vergewissern, daß wir tatsächlich Gegenstand polizeilicher Überwachung sind. Also machen wir so ganz beiläufig einen Spaziergang zum Els Cuatre Gats, um zu sehen, ob dieser Kerl noch da draußen steht und uns auflauert. Aber kein Wort von alledem zu Ihrem Vater, sonst bekommt er noch einen Nierenstein.«
»Was soll ich ihm denn sagen? Er traut dem Frieden schon seit einer Weile nicht mehr.«
»Sagen Sie ihm, Sie gehen Sonnenblumenkerne holen oder Puddingpulver.«
»Und warum müssen wir ausgerechnet ins Els Cuatre Gats?«
»Weil es dort die besten Schlackwurstsandwiches im Umkreis von fünf Kilometern gibt, und irgendwo müssen wir uns ja unterhalten. Seien Sie kein Spielverderber und tun Sie, was ich sage, Daniel.«
Da ich jede Unternehmung begrüßte, die mich von meinen Gedanken abhielt, gehorchte ich, und zwei Minuten später trat ich auf die Straße hinaus, nachdem ich meinem Vater versichert hatte, ich sei zum Abendessen zurück. Fermín erwartete mich an der Ecke zur Puerta del Ángel. Sowie ich mich zu ihm

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