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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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den Händen auf einer Bank und ließ den Blick zwischen den Knaben hindurch ins Unbestimmte schweifen. Gemäß meinen Angaben wohnte Nuria Monfort in einem Hauseingangs des Platzes. Auf dem geschwärzten Steinbogen über dem Eingang konnte man noch das Baujahr lesen: 1801. Im dunklen Hausflur war eine Treppe zu erkennen, die spiralförmig hinanstieg. Ich betrachtete die wabenartigen Blechbriefkästen, deren Inhaber auf verblichenen Kartontäfelchen zu lesen waren.
    Miquel Moliner / Nuria Monfort 3° 2 a
    Ich stieg ganz langsam hinauf, aus Angst, das Haus würde einstürzen, wenn ich auf diesen winzigen Puppenhausstufen fester aufträte. Auf jedem Absatz befanden sich zwei Türen ohne Nummer oder sonstiges Unterscheidungsmerkmal. Im dritten Stock angekommen, entschied ich mich aufs Geratewohl für die eine Tür und klopfte an. Das Treppenhaus roch feucht, nach altem Gemäuer. Ich klopfte mehrmals erfolglos. Da versuchte ich es bei der andern Tür, an die ich dreimal mit der Faust hämmerte, da aus dem Innern die Rundfunksendung Besinnliche Momente mit Pater Martín Calzado herausdröhnte.
    Eine Frau in türkisblau wattiertem Karo-Hausmantel und Pantoffeln und unter einem Helm von Lockenwicklern öffnete mir die Tür. Im Dämmerlicht sah sie aus wie ein Taucher. Hinter ihr widmete Pater Martín Calzados inzwischen samtweiche Stimme einige Worte dem Sponsor des Programms, dem Kosmetikhersteller Aurorin, dessen Produkte von den Lourdes-Wallfahrern bevorzugt wurden und als wahres Wundermittel gegen Pusteln und rücksichtslose Wucherer galten.
    »Guten Tag. Ich suche Señora Monfort.«
»Die Nurieta? Da haben Sie sich in der Tür geirrt, junger Mann. Das ist gegenüber.«
    »Verzeihen Sie, aber ich habe geklopft, und da war niemand.«
»Sie sind doch nicht etwa ein Gläubiger, oder?« fragte die Nachbarin.
»Nein. Ich komme im Auftrag von Señora Monforts Vater.«
»Ah, gut. Die Nurieta ist unten und liest. Haben Sie sie nicht gesehen, bevor sie raufgekommen sind?«
Wieder auf der Straße, stellte ich fest, daß die Frau mit den silbernen Haaren und dem Buch in den Händen noch immer auf der Bank saß. Ich betrachtete sie aufmerksam. Nuria Monfort war eine mehr als attraktive Frau mit einem Gesicht für Schaufensterpuppen und Studioaufnahmen, aber ihre Jugendlichkeit schien ihr durch den Blick ins Unbestimmte zu entschwinden. In ihrer fragilen, wie hingepinselten Figur hatte sie etwas von ihrem Vater. Zwar sah das Gesicht im Zwielicht zehn Jahre jünger aus, aber auf Grund der Silbersträhnen und der Züge, die sie älter machten, schätzte ich sie auf etwas über vierzig.
»Señora Monfort?«
Sie schaute mich an, als erwachte sie zögernd aus einer Trance.
»Mein Name ist Daniel Sempere. Ihr Vater hat mir vor einiger Zeit Ihre Adresse gegeben und mir gesagt, Sie könnten mir vielleicht etwas über Julián Carax erzählen.«
Da schwand alle Verträumtheit aus ihrem Gesicht, und ich ahnte, daß es keine gute Idee gewesen war, ihren Vater zu erwähnen.
»Was wollen Sie?« fragte sie argwöhnisch.
Ich spürte, daß ich meine Chance vertan hatte, wenn ich nicht auf der Stelle ihr Vertrauen gewann. Die einzige Karte, die ich ausspielen konnte, war, die Wahrheit zu sagen.
»Lassen Sie mich erklären. Vor acht Jahren habe ich mehr oder weniger zufällig im Friedhof der Vergessenen Bücher einen Roman von Julián Carax gefunden, den Sie dort versteckt hatten, damit ihn ein Mann, der sich als Laín Coubert ausgibt, nicht vernichten konnte.«
Sie starrte mich an, reglos, als fürchtete sie, die Welt um sie herum bräche zusammen.
»Ich werde Ihnen nur ein paar wenige Minuten stehlen«, sagte ich schnell. »Ich verspreche es Ihnen.«
Sie nickte niedergeschlagen.
»Wie geht es meinem Vater?« fragte sie, meinem Blick ausweichend.
»Gut. Etwas älter mittlerweile. Er vermißt Sie sehr.«
»Sie kommen besser mit nach oben. Über diese Dinge mag ich nicht auf der Straße sprechen.«
6
    Nuria Monfort lebte in Schatten. Ein schmaler Gang führte in ein Eßzimmer, das zugleich Küche, Bibliothek und Büro war. Im Vorbeigehen erkannte ich ein schlichtes fensterloses Schlafzimmer. Der Rest der Wohnung bestand aus einem winzigen Bad ohne Dusche und Waschbecken, wo alle möglichen Gerüche hereindrangen, vom Küchendunst der Kneipe unten bis zum Gestank der bald hundertjährigen Leitungen. Die Wohnung lag in ewigem Halbdunkel, dazu ein zwischen bröckelnden Hausmauern hängender finsterer Balkon. Es roch nach schwarzem Tabak, nach Kälte und

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