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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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einer Vergangenheit, die er zurückgelassen hatte, aber so etwas vergißt man nie. Die Worte, die das Herz eines Kindes vergiften, sei es aus Gemeinheit oder Ignoranz, bleiben im Gedächtnis haften und verbrennen einem über kurz oder lang die Seele.«
Ich fragte mich, ob sie aus eigener Erfahrung sprach, und wieder kam mir das Bild meines Freundes Tomás Aguilar in den Sinn, der sich stoisch die Tiraden seines edlen Papas anhörte.
»Wie alt war Julián damals?«
»Acht oder zehn Jahre, denke ich. Sobald er alt genug war, daß er in die Armee hätte eintreten können, hat ihn seine Mutter nach Paris mitgenommen. Ich glaube, sie haben nicht einmal auf Wiedersehen gesagt. Der Hutmacher hat nie verstanden, daß ihn seine Familie verlassen hat.«
»Haben Sie einmal gehört, daß Julián ein junges Mädchen namens Penélope erwähnte?«
»Penélope? Ich glaube nicht. Daran müßte ich mich erinnern.«
»Sie war eine Freundin von ihm, als er noch in Barcelona wohnte.«
Ich zog das Foto von Carax und Penélope Aldaya aus der Tasche und gab es ihr. Ich sah, wie sie aufleuchtete, als sie den halbwüchsigen Julián erblickte. Die Nostalgie, der Verlust mußten an ihr nagen.
»Wie jung er da war … Ist das diese Penélope?«
Ich nickte.
»Sehr hübsch. Julián wußte sich immer mit schönen Frauen zu umgeben.«
Frauen wie Sie, dachte ich.
»Wissen Sie, ob er viele …«
Wieder dieses Lächeln auf meine Kosten.
»Verlobte, Freundinnen hatte? Ich weiß es nicht. Ehrlich gesagt, ich habe nie etwas von einer Frau in seinem Leben gehört. Einmal wollte ich ihn reizen und habe ihn gefragt. Sie wissen ja, daß er sich seinen Lebensunterhalt mit Klavierspielen in einem Animierlokal verdient hat. Ich hab ihn gefragt, ob er nicht in Versuchung komme, den ganzen Tag so von hübschen leichten Mädchen umgeben. Das fand er gar nicht lustig. Er sagte, er habe nicht das Recht, jemand zu lieben, er habe es verdient, allein zu sein.«
»Hat er gesagt, warum?«
»Julián hat nie gesagt, warum.«
»Trotzdem wollte er am Ende heiraten, kurz vor seiner Rückkehr nach Barcelona im Jahr 1936.«
»Das hat es geheißen.«
»Sie bezweifeln es?«
Sie zuckte die Schultern.
»Wie gesagt, in all den Jahren, die wir uns gekannt haben, hat Julián mir gegenüber nie eine Frau besonders erwähnt, erst recht nicht eine, die er heiraten wollte. Das mit der angeblichen Hochzeit ist mir erst später zu Ohren gekommen. Neuval, Carax’ letzter Verleger, hat Cabestany erzählt, die Verlobte sei zwanzig Jahre älter gewesen als Julián, eine vermögende, kranke Witwe. Laut Neuval hatte ihn diese Frau jahrelang mehr oder weniger ausgehalten. Die Ärzte gaben ihr noch sechs Monate, höchstens ein Jahr. Wie Neuval sagte, wollte sie Julián heiraten, damit er sie beerben könnte.«
»Aber die Hochzeit hat nie stattgefunden.«
»Falls es so einen Plan oder eine solche Witwe überhaupt je gegeben hat.«
»Soviel ich weiß, war Carax in ein Duell verwickelt, am frühen Morgen des Tages, an dem er heiraten sollte. Wissen Sie, mit wem oder warum?«
»Neuval hat angenommen, es war jemand, der in irgendeiner Beziehung zu der Witwe stand, ein entfernter, habgieriger Verwandter, der fürchtete, die Erbschaft würde einem Dahergelaufenen in die Hände fallen. Neuval hat vor allem Schundromane veröffentlicht, und es sieht ganz so aus, als hätte er das Genre verinnerlicht.«
»Ich sehe, Sie glauben nicht sehr an die Geschichte mit der Hochzeit und dem Duell.«
»Nein. Ich habe sie nie geglaubt.«
»Was denken Sie, was ist dann geschehen? Warum ist Carax nach Barcelona zurückgekehrt?«
Sie lächelte traurig.
»Diese Frage stelle ich mir seit siebzehn Jahren.«
Nuria Monfort zündete sich eine neue Zigarette an. Mir bot sie ebenfalls eine an. Ich fühlte mich versucht, lehnte aber ab.
»Aber irgendeine Vermutung werden Sie doch haben«, sagte ich.
»Alles, was ich weiß, ist, daß im Sommer 1936 kurz nach Kriegsausbruch ein Angestellter des städtischen Leichenschauhauses im Verlag angerufen und gesagt hat, vor drei Tagen sei Julián Carax’ Leiche bei ihnen eingeliefert worden. Man hatte ihn tot in einer Gasse des Raval gefunden, in Lumpen gehüllt und mit einer Kugel im Herzen. Er hatte ein Buch bei sich, Der Schatten des Windes, und seinen Paß. Der Stempel zeigte, daß er einen Monat zuvor über die französische Grenze gekommen war. Niemand weiß, wo er in dieser Zeit gesteckt hat. Die Polizei hat sich mit seinem Vater in Verbindung gesetzt, aber der wollte nichts mit der

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