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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Freundin ist zu mir gekommen.«
    »Isabella.«
     
    »Sie hat mir erzählt, sie habe meine Briefe vor dir versteckt, aber sie habe es nicht aus Böswilligkeit getan. Sie dachte, es sei zu deinem Besten, und vielleicht hatte sie recht.«
    Ich beugte mich über sie und suchte ihre Augen. Ich streichelte ihre Lippen, und sie lächelte schwach. »Ich dachte, du hättest mich vergessen«, sagte sie. »Ich hab’s versucht.«
    Ihr Gesicht wirkte müde. Die Monate der Trennung hatten Linien in ihre Haut gezeichnet, und in ihrem Blick lagen Niederlage und Leere.
    »Wir sind nicht mehr jung«, sagte sie, als lese sie meine Gedanken.
    »Wann sind wir denn je jung gewesen, du und ich?«
    Ich warf die Decke beiseite und betrachtete ihren nackten Körper auf dem weißen Betttuch. Mit den Fingerspitzen streichelte ich ganz leicht ihren Hals und ihre Brüste, kaum die Haut berührend. Ich zeichnete Kreise auf ihren Bauch und zog die Form des Beckens nach. Ich ließ meine Finger in den fast durchsichtigen Haaren zwischen ihren Schenkeln spielen.
    Aus halb geschlossenen Augen beobachtete mich Cristina schweigend.
    »Was machen wir nun?«, fragte sie.
    Ich beugte mich über sie und küsste sie auf die Lippen. Sie umarmte mich, und so blieben wir liegen, während das Kerzenlicht verflackerte.
    »Es wird uns schon etwas einfallen«, murmelte sie.
    Kurz nach der Morgendämmerung erwachte ich, allein im Bett. In der Befürchtung, Cristina sei abermals mitten in der Nacht gegangen, sprang ich hoch. Da sah ich ihre Kleider auf dem Stuhl und die Schuhe darunter und atmete tief durch. Ich fand sie in der Veranda in eine Decke gehüllt auf dem Boden vor dem Kamin sitzend, wo ein glühendes Stück Holz einen blauen Feuerschein verbreitete. Ich setzte mich neben sie und küsste sie auf den Hals.
    »Ich konnte nicht schlafen«, sagte sie, ins Feuer starrend.
    »Warum hast du mich denn nicht geweckt?«
    »Ich habe mich nicht getraut. Du hast ausgesehen, als würdest du zum ersten Mal seit Monaten richtig schlafen. Also habe ich deine Wohnung ausgekundschaftet.«
    »Und?«
    »Diese Räume sind wie verhext vor Traurigkeit. Warum zündest du sie nicht an?«
    »Und wo sollen wir dann wohnen?« »Wir?«
    »Warum nicht?«
    »Ich dachte, du schreibst keine Märchen mehr.« »Das ist wie Rad fahren. Hat man es einmal gelernt …«
    Cristina schaute mich lange an.
    »Was ist in dem Zimmer am Ende des Flurs?«
    »Nichts. Alter Trödel.«
    »Es ist abgeschlossen.«
    »Willst du es sehen?«
     
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Es ist nur eine Wohnung, Cristina. Ein Haufen Steine und Erinnerungen. Sonst nichts.« Sie nickte mit wenig Überzeugung. »Warum gehen wir nicht fort?«, fragte sie. »Wohin?« »Weit weg.«
    Ich musste unwillkürlich lächeln, aber sie blieb ernst. »Wohin?«, fragte ich.
    »Irgendwohin, wo niemand weiß, wer wir sind, und wo das den Leuten auch egal ist.« »Das willst du?«, fragte ich. »Du nicht?«
    Ich zögerte einen Augenblick.
    »Und Pedro?« Ich verschluckte mich fast an dem Namen.
    Sie schüttelte die Decke von ihren Schultern und schaute mich herausfordernd an.
    »Brauchst du seine Erlaubnis, um mit mir ins Bett zu gehen?«
    Ich biss mir auf die Zunge. Cristina schaute mich mit Tränen in den Augen an.
    »Entschuldige«, flüsterte sie. »Ich habe kein Recht, so zu sprechen.«
    Ich nahm die Decke vom Boden und versuchte, sie ihr über die Schultern zu legen, aber sie drehte sich abweisend weg.
    »Pedro hat mich verlassen«, sagte sie mit gebrochener Stimme. »Gestern ist er ins Ritz gezogen, um zu warten, um nicht dabei zu sein, wenn ich gehe. Er sagte, er wisse, dass ich ihn nicht liebe, dass ich ihn aus Dankbarkeit oder aus Mitleid geheiratet habe. Er sagte, er wolle mein Mitleid nicht, jeder Tag, den ich bei ihm verbringe und vorgebe, ihn zu lieben, tue ihm weh. Er sagte, was ich auch tun würde, er werde mich immer lieben und deshalb wolle er mich nicht mehr sehen.« Ihre Hände zitterten.
    »Er hat mich von ganzem Herzen geliebt, und das Einzige, was ich zustande gebracht habe, war, ihn unglücklich zu machen.«
    Sie schloss die Augen, und ihr Gesicht verzog sich zu einer schmerzlichen Grimasse. Einen Moment später ließ sie ein tiefes Wimmern hören und begann, mit den Fäusten auf ihr Gesicht und ihren Körper einzuschlagen. Ich nahm sie rasch in die Arme und hielt sie fest, damit sie sich nicht mehr bewegen konnte. Sie wand sich und schrie. Ich drückte sie zu Boden und hielt sie dort fest. Langsam ergab sie sich,

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