Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
Nachmittag?«
»Wann du willst. Weißt du, wo ich wohne?«
»Mein Vater weiß es.«
Sie beugte sich ein wenig vor und küsste mich auf die Wange.
»Alles Gute zum Geburtstag, David.«
Bevor ich etwas sagen konnte, war sie im Garten verschwunden. Als ich ins Haus zurückkam, war sie schon fort. Vidal betrachtete mich vom anderen Ende des Salons mit einem frostigen Blick, der erst zu einem Lächeln wurde, als ihm aufging, dass ich seine Person bemerkt hatte.
Eine Stunde später bestand Manuel mit Vidals Einwilligung darauf, mich im Hispano-Suiza nach Hause zu bringen. Ich setzte mich neben ihn, wie ich es immer tat, wenn ich allein mit ihm fuhr, was er jeweils nutzte, um mir seine Fahrkünste zu erläutern und mich sogar eine Weile ans Steuer zu lassen, was Vidal natürlich nicht wusste. An diesem Abend war er aber schweigsamer als sonst und gab bis zum Stadtzentrum keinen Ton von sich. Er war dünner als bei unserer letzten Begegnung, und ich hatte den Eindruck, das Alter beginne ihm die Rechnung zu präsentieren.
»Ist etwas, Manuel?«, fragte ich.
Er zuckte die Schultern.
»Nichts Besonderes, Señor Martín.«
»Wenn Sie etwas bedrückt …«
»Lappalien, die Gesundheit. In meinem Alter hat man viele kleine Sorgen, Sie wissen ja. Aber ich bin nicht mehr wichtig. Wichtig ist meine Tochter.«
Ich wusste nicht recht, was ich antworten sollte, und nickte bloß.
»Ich weiß genau, dass Sie sie lieb haben, Señor Martín. Meine Cristina. Ein Vater kann so was sehen.«
Stumm nickte ich wieder. Wir wechselten kein weiteres Wort mehr, bis Manuel an der Einmündung zur Calle Flassaders anhielt, mir die Hand gab und mir noch einmal zum Geburtstag gratulierte.
»Sollte mir etwas zustoßen«, sagte er dann, »Sie würden ihr doch helfen, nicht wahr, Señor Martín? Würden Sie das für mich tun?«
»Selbstverständlich, Manuel. Aber was sollte Ihnen denn zustoßen?«
Er lächelte und winkte mir zum Abschied zu. Ich sah ihn einsteigen und langsam davonfahren. Ich war mir nicht ganz sicher, doch ich hätte schwören können, dass er nach der weitgehend wortlosen Fahrt nun ein Selbstgespräch führte.
11
Den ganzen Vormittag drehte ich meine Runden in der Wohnung, stellte hier etwas an seinen Platz, rückte dort etwas zurecht, lüftete und putzte Dinge und Winkel, von denen ich kaum mehr gewusst hatte, dass ich sie besaß. Ich lief zu einem Blumenstand auf dem Markt, und als ich mit Sträußen beladen zurückkam, konnte ich mich nicht erinnern, wo ich die Vasen versteckt hatte. Ich kleidete mich, als ginge ich auf Stellensuche. Ich studierte Worte und Begrüßungsformeln ein, die mir lächerlich erschienen. Ich betrachtete mich im Spiegel und stellte fest, dass Vidal recht hatte – ich glich einem Vampir. Schließlich setzte ich mich in der Veranda in einen Sessel und wartete mit einem Buch in den Händen. In zwei Stunden gelangte ich nicht über die erste Seite hinaus. Endlich, Punkt vier Uhr, hörte ich Cristinas Schritte im Treppenhaus und sprang auf. Als sie an der Tür klingelte, stand ich bereits für eine Ewigkeit dort.
»Hallo, David. Ist es gerade ungünstig?«
»Nein, nein. Im Gegenteil. Komm bitte herein.«
Cristina lächelte höflich und trat in den Korridor. Ich führte sie in die Veranda und bat sie, Platz zu nehmen. Ihr Blick prüfte alles aufmerksam.
»Ein sehr spezieller Ort«, sagte sie. »Pedro hatte mir schon gesagt, du hättest eine herrschaftliche Wohnung.«
»Er nennt sie eher trübselig, aber vermutlich ist das nur eine Frage des Blickwinkels.«
»Darf ich dich fragen, warum du gerade hierher gezogen bist? Die Wohnung ist ziemlich groß für jemanden, der allein lebt.«
Jemand, der allein lebt, dachte ich. Man wird immer zu dem, was man in den Augen derer zu sein scheint, die man begehrt.
»Wirklich? Im Grunde bin ich hierher gezogen, weil ich dieses Haus jahrelang fast täglich gesehen habe, wenn ich zur Zeitung ging oder von dort zurückkam. Es war immer verschlossen, und schließlich dachte ich, es warte auf mich. Am Ende habe ich buchstäblich davon geträumt, eines Tages darin zu wohnen. Und so ist es denn auch gekommen.«
»Werden alle deine Träume Wirklichkeit, David?«
Dieser ironische Ton erinnerte mich allzu sehr an Vidal.
»Nein. Das ist der einzige. Aber du wolltest mit mir über irgendetwas sprechen, und ich halte dich mit Geschichten auf, die dich gewiss nicht interessieren.«
Es klang ausweichender, als ich wollte. Mit dem Verlangen erging es mir gerade
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