Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
Martín, nicht wahr, dem von Die Stadt …?«
Ich nickte.
»Ich hatte ihn bestellt, aber der Verlag hat mir keine Exemplare geliefert. Warten Sie, ich erkundige mich noch einmal.«
Ich folgte ihm zu einem Auslagentisch, wo er mit einem seiner Kollegen sprach, der den Kopf schüttelte.
»Er hätte gestern kommen sollen, aber der Verlag sagt, er habe keine Exemplare mehr. Tut mir leid. Wenn Sie wollen, reserviere ich Ihnen eines, wenn er doch noch eintrifft.«
»Bemühen Sie sich nicht. Ich werde wieder vorbeischauen. Und vielen Dank.«
»Tut mir leid, mein Herr. Ich weiß auch nicht, was da geschehen ist – ich sagte ja, eigentlich müsste ich das Buch hierhaben …«
Anschließend ging ich zu einem Zeitungskiosk oben an den Ramblas und kaufte von der Vanguardia bis zur Stimme der Industrie fast alle Tageszeitungen. Ich setzte mich ins Café Canaletas, um mich in sie zu vertiefen. Vidals Roman wurde überall in ganzseitiger Aufmachung besprochen, mit großer Schlagzeile und einem Bild von Don Pedro, auf dem er nachdenklich und geheimnisvoll aussah, einen neuen Anzug trug und mit einstudierter Geringschätzung an einer Pfeife sog. Ich überflog jeweils die Titel und dann den ersten und letzten Absatz der Kritik.
Die erste begann so: » Das Aschenhaus ist ein reifes, wunderbares, hocherhabenes Werk, das zum Besten zählt, was die Gegenwartsliteratur zu bieten hat.« Eine andere Zeitung teilte ihren Lesern mit, in Spanien schreibe »niemand besser als Pedro Vidal, unser beliebtester und angesehenster Romancier«, und eine dritte fand, das Buch sei »ein kapitaler Roman, meisterlich geschrieben und von höchster Qualität«. Eine vierte Zeitung kommentierte den großen internationalen Erfolg von Vidal und seinem Roman: »Europa wirft sich dem Meister zu Füßen« (obwohl das Buch in Spanien erst zwei Tage zuvor erschienen war und, sollte es übersetzt werden, in keinem anderen Land vor Ablauf eines Jahres zu finden sein würde). Weitschweifig ließ sich der Artikel über die große Anerkennung und den enormen Respekt aus, auf die Vidals Name bei den »renommiertesten internationalen Kritikern« gestoßen sei, obwohl meines Wissens keines seiner Bücher jemals in eine andere Sprache übertragen worden war, außer einem Roman, dessen Übersetzung ins Französische Don Pedro selbst finanziert hatte und von dem 126 Stück verkauft worden waren. Aber Wunder hin oder her – die Presse war übereinstimmend der Ansicht, es sei »ein Klassiker geboren« worden und der Roman stehe für »die Rückkehr eines der Großen, der besten Feder unserer Zeit: Vidal, der unbestrittene Meister«.
Auf der gegenüberliegenden Seite fand ich in einigen Zeitungen auch eine ein- oder zweispaltige Besprechung des Romans von David Martín. Die gnädigste begann so: » Die Schritte des Himmels , ein Erstlingswerk von David Martín in plattem Stil, offenbaren von der ersten Seite an, dass es dem Autor an Mitteln und Talent fehlt«. Eine zweite war der Meinung, »der Anfänger Martín« versuche, »den Meister Pedro Vidal zu imitieren, was ihm aber nicht gelingt«. Die letzte, die ich zu lesen vermochte, war die der Stimme der Industrie, und sie begann mit einem knappen Resümee in Fettdruck: »David Martín, ein gänzlich unbekannter Redakteur von Kleinanzeigen, überrascht uns mit etwas, was vielleicht das schlechteste literarische Debüt dieses Jahres ist.«
Ich ließ die Zeitungen auf dem Tisch liegen und den Kaffee unberührt stehen und ging die Ramblas hinunter zu den Büros von Barrido und Escobillas. Unterwegs kam ich an vier oder fünf Buchhandlungen vorbei, alle mit zahllosen Exemplaren von Vidals Roman im Schaufenster. In keinem fand ich auch nur ein einziges Exemplar des meinen. Und in allen wiederholte sich die Szene aus der Catalonia.
»Wissen Sie, ich kann auch nicht sagen, was da los ist, er hätte vorgestern eintreffen sollen, aber der Verleger sagt, die Auflage sei vergriffen und er wisse nicht, wann er nachdrucken werde. Wenn Sie Ihren Namen und Ihre Telefonnummer hinterlassen wollen, kann ich Sie benachrichtigen, sobald er kommt … Haben Sie schon in der Catalonia gefragt? Wenn die ihn nicht haben …«
Die beiden Teilhaber empfingen mich mit düsterem, unfreundlichem Blick. Barrido hinter seinem Schreibtisch mit einem Füllfederhalter spielend und Escobillas hinter ihm stehend und mich mit dem Blick durchbohrend. Die Giftige saß in einem Stuhl neben mir und genoss die Aussicht auf das Kommende in vollen
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