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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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hinauf.
    »Ist das die Strafe, die mir der Himmel schickt, damit ich Reue empfinde für mein ausschweifendes Leben?«
    Neugierig folgte Isabella meinem Blick.
    »Mit wem sprechen Sie?«
    »Mit niemandem, ich monologisiere. Ein Vorrecht des Betrunkenen. Aber morgen früh werde ich in einen Dialog mit deinem Vater treten, um dieser unsinnigen Geschichte ein Ende zu setzen.«
    »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Er hat geschworen, Sie umzubringen, wenn er Sie sieht. Er hat unter dem Ladentisch eine doppelläufige Flinte versteckt. So ist er. Einmal hat er damit einen Esel erschossen. Es war im Sommer, in der Nähe von Argentona …«
    »Halt den Schnabel. Kein Wort mehr. Ruhe.«
    Isabella nickte und schaute mich erwartungsvoll an. Ich nahm die Suche nach dem Schlüssel wieder auf. Das war nicht der Moment, mich mit den Schwindeleien dieses geschwätzigen Backfischs auseinanderzusetzen. Was ich brauchte, war, aufs Bett zu fallen und das Bewusstsein zu verlieren, vorzugsweise in dieser Reihenfolge. Zwei Minuten lang suchte ich ohne greifbares Ergebnis. Schließlich sprang mir Isabella wortlos bei und nestelte den Schlüssel aus der Jacketttasche, wo meine Hand hundertmal gesucht hatte. Sie hielt ihn mir unter die Nase, und ich nickte geschlagen.
    Isabella öffnete die Wohnungstür und zog mich hoch. Wie einen Invaliden führte sie mich ins Schlafzimmer und half mir, mich aufs Bett zu legen. Sie legte mir ein Kissen unter den Kopf und befreite mich von meinen Schuhen. Verwirrt schaute ich sie an.
    »Keine Angst, die Hose werde ich Ihnen nicht ausziehen.«
    Sie öffnete die Kragenknöpfe, setzte sich neben mich und sah mich an. Ihr Lächeln war erfüllt von einer Melancholie, für die sie viel zu jung war.
    »Ich habe Sie noch nie so traurig gesehen, Señor Martín. Es ist wegen dieser Frau, nicht wahr? Der von der Fotografie.«
    Sie ergriff meine Hand und streichelte sie beruhigend. »Alles geht vorüber, glauben Sie mir. Alles geht vorüber.«
    Gegen meinen Willen traten mir Tränen in die Augen, und ich wandte den Kopf ab, damit sie mein Gesicht nicht sah. Isabella löschte das Licht auf dem Nachttisch und blieb neben mir im Halbdunkel sitzen, hörte diesem jämmerlichen Betrunkenen beim Weinen zu; und ohne mich auszufragen oder zu verurteilen, schenkte sie mir ihre Gesellschaft und Güte, bis ich einschlief.
     

 7
    Ich wurde von einem quälenden Kater, der einem Schraubstock um die Schläfen glich, und dem Duft des kolumbianischen Kaffees geweckt. Isabella hatte ein Tischchen mit einer Kanne und einem Teller mit Brot, Käse, Schinken und einem Apfel ans Bett gerückt. Beim Anblick der Speisen wurde mir übel, aber ich langte nach dem frischen Kaffee. Isabella, die mich von der Schwelle aus betrachtet hatte, ohne dass ich es bemerkte, kam mir zuvor und schenkte mir, ein einziges Lächeln, eine Tasse ein.
    »Trinken Sie ihn so, sehr stark, er wirkt Wunder.«
    Ich nahm die Tasse und trank.
    »Wie spät ist es?«
    »Ein Uhr mittags.«
    Ein leises Schnauben entfuhr mir.
    »Wie lange bist du schon wach?«
    »Etwa sieben Stunden.«
    »Und hast was getan?«
    »Sauber gemacht und Ordnung geschaffen, aber hier gibt es Arbeit für Monate.«
    Ich nahm einen weiteren großen Schluck.
    »Danke«, murmelte ich. »Für den Kaffee. Und fürs Ordnungschaffen und Saubermachen, aber du bist dazu nicht verpflichtet.«
    »Ich mache es nicht für Sie, falls das Ihre Sorge ist. Ich mache es für mich. Wenn ich hier wohnen soll, ist mir die Vorstellung lieber, nicht kleben zu bleiben, falls ich mich zufällig irgendwo abstütze.«
    »Hier wohnen? Ich dachte, wir hätten gesagt …«
    Als ich die Stimme erhob, durchschnitt mir ein schmerzhafter Stich das Wort und den Gedanken.
    »Pssst«, flüsterte Isabella.
    Ich nickte und gab mich fürs Erste geschlagen. Jetzt konnte und mochte ich nicht mit Isabella streiten. Später, wenn der Kater den Rückzug anträte, wäre immer noch Zeit, sie zu ihrer Familie zurückzubringen. Ich trank die Tasse aus und stand langsam auf. Fünf bis sechs Schmerzensstiche bohrten sich in meinen Kopf. Ein Stöhnen entfuhr mir. Isabella stützte mich am Arm.
    »Ich bin kein Invalide. Ich weiß mir schon zu helfen.«
    Vorsichtig ließ sie mich los. Ich tat ein paar Schritte auf den Korridor zu. Sie folgte mir dichtauf, als fürchtete sie, ich würde jeden Augenblick zusammenbrechen. Vor dem Bad blieb ich stehen.
    »Darf ich allein pinkeln?«
    »Zielen Sie genau«, murmelte sie. »Ich stelle Ihnen das

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