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Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Titel: Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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20. Januar und werde im Ritz in der Gran Vía absteigen. Ich möchte dich zu gern sehen, und sei es nur eine Weile, damit ich dir persönlich sagen kann, was ich im Herzen trage. Ich habe für den 21. im Hotelrestaurant auf zwei Uhr einen Tisch reserviert. Dort werde ich dich erwarten. Wenn du kommst, wirst du mich zum glücklichsten Menschen auf Erden machen, und ich werde die Gewissheit haben, dass meine Träume, deine Liebe wiederzuzugewinnen, nicht hoffnungslos sind.
Dich seit je liebend
Pablo
    Einige Sekunden lang blieb ich weiter auf dem Bett sitzen, das ich erst vor ein paar Stunden noch mit Bea geteilt hatte. Dann steckte ich den Brief wieder in den Umschlag, und als ich aufstand, hatte ich das Gefühl, ich hätte eben einen Faustschlag in den Magen bekommen. Ich rannte ins Bad und erbrach den Morgenkaffee ins Waschbecken. Dann klatschte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht. Im Spiegel schaute mich das Gesicht des sechzehnjährigen Daniel an, dessen Hände gezittert hatten, als er Bea zum ersten Mal liebkost hatte.

11
    Als ich in den Laden zurückkam, warf mir mein Vater einen forschenden Blick zu und schaute auf die Armbanduhr. Vermutlich fragte er sich, wo ich die letzte halbe Stunde gesteckt haben mochte, doch er sagte nichts. Seinem Blick ausweichend, gab ich ihm die Kellerschlüssel.
    »Aber wolltest nicht du runtergehen und die Bücher holen?«, fragte er.
    »Ja, klar, entschuldige. Ich geh gleich.«
    Er sah mich misstrauisch an.
    »Ist alles in Ordnung, Daniel?«
    Ich nickte, scheinbar erstaunt über die Frage. Bevor er sie wiederholen konnte, machte ich mich zum Keller auf. Der Zugang befand sich ganz hinten im Hausflur. Eine mit einem Vorhängeschloss verriegelte Metalltür unter dem ersten Treppenstück öffnete sich zu einer Wendeltreppe, die sich im Dunkeln verlor und nach Feuchtigkeit roch und an etwas Undefinierbares wie gestampfte Erde oder verwelkte Blumen erinnerte. An der Decke hing eine Reihe anämisch flackernder Glühbirnen, die das Ganze gleichsam zu einem Luftschutzkeller machten. Ich stieg hinunter und tastete an der Kellerwand nach dem Lichtschalter.
    Über meinem Kopf hing eine gelbliche Birne und erhellte notdürftig eine Art größenwahnsinnige Rumpelkammer. Mumien herrenloser Fahrräder, von Spinnweben überzogene Bilder und gestapelte Kartonschachteln in von der Feuchtigkeit aufgeweichten Holzregalen bildeten eine Kulisse, die nicht unbedingt zu längerem Verweilen einlud. Erst jetzt ging mir auf, wie merkwürdig es war, dass Bea selbst da herunterzukommen beschlossen hatte, statt mich um diesen Gang zu bitten. Ich fragte mich, was der Raum außer all dem Gerümpel sonst noch für Geheimnisse bergen mochte.
    Als mir bewusst wurde, in was ich mich da hineinsteigerte, seufzte ich. Die Worte dieses Briefes tropften mir stetig in den Geist wie Säure. Ich nahm mir das Versprechen ab, zwischen diesen Schachteln nicht nach Bündeln parfümierter Briefe dieses Individuums zu suchen. Dieses Versprechen hätte ich schon nach wenigen Sekunden gebrochen, hätte ich auf der Treppe nicht Schritte gehört. Ich schaute auf und erblickte Fermín, der die Szenerie angeekelt betrachtete.
    »Na, hier riecht’s ja nach wurmstichiger Leiche. Sie bewahren doch nicht etwa in einer dieser Kisten zwischen Häkelmustern die einbalsamierte Mutter der Merceditas auf?«
    »Wenn Sie schon da sind, helfen Sie mir doch ein paar Schachteln für meinen Vater hinaufzutragen.«
    Fermín krempelte sich die Ärmel hoch. Ich deutete auf zwei Schachteln mit dem Siegel des Vértice-Verlags, und wir fassten beide je eine.
    »Daniel, Sie sehen ja elender aus als ich. Ist was?«
    »Das müssen die Ausdünstungen dieses Kellers sein.«
    Er ließ sich von meinem Versuch zu scherzen nicht täuschen. Ich stellte die Schachtel wieder hin und setzte mich darauf.
    »Darf ich Sie etwas fragen, Fermín?«
    Nun benutzte auch er seine Schachtel als Hocker. Ich schaute ihn an, wollte reden, brachte aber kein Wort über die Lippen.
    »Probleme im Ehebett?«, fragte er.
    Ich errötete, als ich feststellte, wie gut mich mein Freund kannte.
    »So was Ähnliches.«
    »Fehlt es der Señora Beatriz, gebenedeit unter den Frauen, an Gefechtslust, oder hat sie im Gegenteil zu viel davon, und Sie schaffen mit Mühe und Not den Dienst nach Vorschrift? Vergessen Sie nicht, dass bei jungen Müttern eine Hormonbombe im Blut gezündet worden ist. Eines der großen Geheimnisse der Natur ist, wie sie es schaffen, in den zwanzig Sekunden nach der Geburt

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