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Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Titel: Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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sich die Kellerschlüssel in einer der Manteltaschen. Ich steckte die Hand in die rechte und stieß auf zwei Münzen und einige Mentholpastillen, wie man sie in den Apotheken geschenkt bekommt. Dann untersuchte ich die andere Tasche und sah meine These mit Befriedigung bestätigt – meine Finger berührten den Schlüsselbund.
    Und noch etwas.
    In der Tasche befand sich noch etwas. Ich zog die Schlüssel hervor und beschloss zögernd, auch das andere ans Tageslicht zu befördern. Eine von Beas Einkaufslisten konnte es nicht sein, dafür war es zu dick.
    Es erwies sich als Kuvert. Ein Brief. Er war an Beatriz Aguilar gerichtet und laut dem Poststempel eine Woche alt. Darauf stand die Adresse von Beas Eltern, nicht die der Wohnung in der Calle Santa Ana. Ich drehte ihn um, und als ich den Namen des Absenders las, fielen mir die Schlüssel aus der Hand.
Pablo Cascos Buendía
    Ich setzte mich auf die Bettkante und schaute verwirrt diesen Umschlag an. Pablo Cascos Buendía war in den Tagen, als wir zu turteln begonnen hatten, Beas Verlobter gewesen. Einer begüterten Familie entstammend, die in El Ferrol mehrere Werften und Industriebetriebe besaß, hatte dieser Mensch, den ich so wenig hatte leiden können wie er mich, damals als Leutnant Militärdienst geleistet. Nachdem ihm Bea schriftlich die Auflösung der Verlobung mitgeteilt hatte, hatte sie nie wieder etwas von ihm gehört. Bis zu diesem Tag.
    Was hatte ein Brief jüngsten Datums von Beas ehemaligem Verlobten in ihrer Manteltasche zu suchen? Der Umschlag war geöffnet, aber einen Moment lang hielten mich die Skrupel zurück, den Brief hervorzuziehen. Es war mir klar, dass ich Bea zum ersten Mal nachspionierte, und schon wollte ich den Umschlag wieder in den Mantel zurückstecken und mich verziehen. Mein tugendhafter Moment dauerte wenige Sekunden. Noch ehe ich am Ende des ersten Absatzes angelangt war, verflog jeder Anflug von Schuldgefühl und Scham.
Liebe Beatriz,
 
ich hoffe, es geht dir gut und du bist glücklich in deinem neuen Leben in Barcelona. Obwohl schon einige Monate vergangen sind, habe ich keine Antwort auf meine Briefe bekommen, und manchmal frage ich mich, ob ich mir etwas habe zuschulden kommen lassen, dass du nichts mehr von mir wissen willst. Ich verstehe ja, dass du eine verheiratete Frau und Mutter eines Kindes bist und dass es vielleicht nicht angebracht ist, dir zu schreiben. Dennoch muss ich dir gestehen, dass es mir, soviel Zeit auch verstrichen ist und trotz aller Anstrengung, nicht gelingt, dich zu vergessen, und ich schäme mich nicht, zu gestehen, dass ich immer noch in dich verliebt bin.
Auch mein Leben hat eine neue Richtung eingeschlagen. Vor einem Jahr habe ich eine Stelle als kaufmännischer Direktor eines wichtigen Verlagsunternehmens angetreten. Ich weiß, wie viel dir Bücher immer bedeutet haben, und zwischen Büchern zu arbeiten gibt mir das Gefühl, dir näher zu sein. Mein Büro befindet sich in der Madrider Filiale, aber meine Arbeit führt mich oft durch ganz Spanien.
Ich denke fortwährend an dich, an das Leben, das wir hätten teilen, an die Kinder, die wir zusammen hätten haben können … Täglich frage ich mich, ob dich dein Mann glücklich machen kann und ob du ihn nicht nur umständehalber geheiratet hast. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du dir das bescheidene Leben, das er dir bietet, tatsächlich wünschst. Ich kenne dich genau. Wir sind Kollegen und Freunde gewesen, und zwischen uns hat es keine Geheimnisse gegeben. Kannst du dich an unsere gemeinsamen Nachmittage am San-Pol-Strand erinnern? Kannst du dich an die Pläne, an die Träume erinnern, die wir geteilt, an die Versprechen, die wir uns gegeben haben? Nie habe ich mich mit jemandem so gefühlt wie mit dir. Seit der Auflösung unserer Verlobung war ich mit einigen Mädchen befreundet, doch mittlerweile weiß ich, dass keine an dich heranreicht. Immer wenn ich andere Lippen küsse, denke ich an die deinen, und immer wenn ich eine andere Haut liebkose, spüre ich die deine.
In einem Monat werde ich unser Verlagsbüro in Barcelona besuchen und mit dem Personal eine Reihe von Gesprächen über eine künftige Restrukturierung des Unternehmens führen. Eigentlich hätte ich diese Formalitäten auch per Post und telefonisch erledigen können. Der wirkliche Grund meiner Reise ist kein anderer als die Hoffnung, dich sehen zu können. Ich weiß, du wirst denken, ich sei verrückt, aber besser so, als dass du denkst, ich hätte dich vergessen. Ich komme am

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