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Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Titel: Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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nicht den Verstand zu verlieren. Das alles weiß ich, weil die Geburtshilfe eines meiner Hobbys ist, gleich nach dem Sonett.«
    »Nein, das ist es nicht. Soviel ich weiß.«
    Er schaute mich erstaunt an.
    »Ich muss Sie bitten, nicht weiterzuerzählen, was ich Ihnen sagen werde.«
    Er bekreuzigte sich feierlich.
    »Gerade eben habe ich zufällig in Beas Manteltasche einen Brief gefunden.«
    Meine Pause schien ihn nicht zu beeindrucken.
    »Und?«
    »Der Brief stammt von ihrem ehemaligen Verlobten.«
    »Dem Verflossenen? Ist der denn nicht nach des Caudillos El Ferrol gegangen, um eine spektakuläre Karriere als Herrensöhnchen zu absolvieren?«
    »Das dachte ich auch. Aber nun schreibt er in seiner Freizeit meiner Frau Liebesbriefe.«
    Fermín schoss auf.
    »Gottverdammte Scheiße«, knurrte er, empörter als ich.
    Ich zog den Brief aus der Tasche und reichte ihn ihm. Fermín beroch ihn, ehe er ihn entfaltete.
    »Bin ich das, oder schreibt dieser Hurenbock seine Briefe auf parfümiertem Papier?«
    »Ich habe nicht drauf geachtet, aber wundern würde es mich nicht. Der Mann ist so. Das Beste kommt noch. Lesen Sie, los …«
    Fermín las leise, den Kopf schüttelnd.
    »Das ist nicht nur ein fieses Schwein, sondern auch ein gewaltiger Lackaffe. ›Andere Lippen küssen‹, das reicht eigentlich schon, um ihn für eine Nacht hinter Gitter zu bringen.«
    Ich steckte den Brief wieder ein und schleifte den Blick über den Boden.
    »Sie werden mir ja wohl nicht sagen, dass Sie Señora Bea verdächtigen …?«, fragte er ungläubig.
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Schwindler.«
    Ich stand auf und begann im Keller Runden zu drehen.
    »Was würden denn Sie tun, wenn Sie in der Tasche der Bernarda einen solchen Brief fänden?«
    Fermín dachte lange nach.
    »Was ich täte, wäre, der Mutter meines Kindes Vertrauen schenken.«
    »Vertrauen schenken?«
    Er nickte.
    »Ich will Sie nicht beleidigen, Daniel, aber Sie haben das klassische Problem der Männer, die ein Superweib heiraten. Señora Bea, die für mich eine Heilige ist und immer sein wird, da kann man nur, um es volkstümlich auszudrücken, das Brot tunken und den Teller mit den Fingern auswischen. Also ist vorherzusehen, dass Lustmolche, Unglückliche, Muskelprotze und typische Angeber aller Gattungen hinter ihr her sind. Mit Ehemann und Kind oder nicht, das ist dem in einem Anzug steckenden Affen, den wir wohlwollend Homo sapiens nennen, vollkommen wurscht. Sie werden es nicht bemerken, aber ich verwette meine Unterhose, dass Ihre heilige Frau von mehr Fliegen umschwirrt wird als ein Honigtopf auf der Aprilmesse. Dieser Kretin ist doch bloß ein Aasvogel, der mit Steinen um sich wirft, um zu sehen, ob einer irgendwo landet. Hören Sie auf mich, eine Frau mit Köpfchen und dem Unterrock am rechten Fleck riecht Typen dieses Schlages von weitem.«
    »Sind Sie sich da sicher?«
    »Der Zweifel beleidigt. Glauben Sie denn, wenn Ihnen Doña Beatriz Hörner aufsetzen wollte, müsste sie warten, bis ihr ein halbseidener Schleimer aufgewärmte Boleros schickt, um sie zu verführen? Wenn ihr nicht jedes Mal, wenn sie mit dem Kleinen und ihrem hübschen Gesichtchen spazieren geht, zehn Freier schöne Augen machen, macht ihr keiner welche. Glauben Sie mir – ich weiß, wovon ich rede.«
    »Ich weiß nicht recht, ob mir das im Moment ein großer Trost ist.«
    »Passen Sie auf, Sie stecken jetzt diesen Brief wieder in die Manteltasche, wo Sie ihn gefunden haben, und vergessen das Ganze. Und kommen Sie mir ja nicht auf die Idee, Ihrer Frau etwas davon zu sagen.«
    »Das würden Sie tun?«
    »Was ich tun würde, wäre, diesen Idioten heimsuchen und ihm einen solchen Tritt in die Schamteile geben, dass er, wenn man sie ihm aus dem Genick operiert, bloß noch in einem Kartäuserkloster verschwinden will. Aber ich bin ich. Und Sie sind Sie.«
    Ich spürte, wie sich die Angst in mir ausbreitete wie ein Öltropfen auf klarem Wasser.
    »Ich weiß nicht, ob Sie mir damit helfen, Fermín.«
    Er zuckte die Schultern, stemmte die Schachtel hoch und verschwand treppauf.

    Den Rest des Vormittags gingen wir den Obliegenheiten der Buchhandlung nach. Nachdem ich zwei Stunden über den Brief nachgegrübelt hatte, kam ich zum Schluss, dass Fermín recht hatte. Ob er allerdings wirklich darin recht hatte, dass ich vertrauen und schweigen sollte oder ob ich mir diesen Mistkerl nicht besser vorknöpfen und ihm ein neues Gesicht verpassen sollte, war mir letztlich nicht klar. Der Kalender über dem

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