Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels
sind.«
»Das bin ich auch nicht. Isabella ist nicht meine Frau. Auch nicht meine Geliebte, falls Sie das denken.«
Fermín schwieg. Er mochte Martíns Worte nicht anzweifeln, aber allein wenn er ihn von ihr sprechen hörte, war ihm vollkommen klar, dass diese Señorita oder Señora das war, was Martín auf der Welt am meisten liebte, wahrscheinlich überhaupt das Einzige, was ihn in diesem elenden Loch am Leben erhielt. Und am traurigsten war, dass er es vermutlich nicht einmal merkte.
»Isabella und ihr Mann führen eine Buchhandlung, ein Ort, der seit meiner Kindheit für mich immer von ganz besonderer Bedeutung gewesen ist. Der Herr Direktor hat mir gesagt, wenn ich seinen Wünschen nicht nachkomme, werde er dafür sorgen, dass man die beiden des Verkaufs subversiven Materials bezichtigt, sie enteignet, beide hinter Gitter bringt und ihnen den noch nicht einmal dreijährigen Sohn wegnimmt.«
»Dieser gottverdammte Schweinehund«, murmelte Fermín.
»Nein, Fermín«, sagte Martín. »Das ist nicht Ihr Krieg, es ist meiner. Es ist das, was ich verdiene für das, was ich getan habe.«
»Sie haben nichts getan, Martín.«
»Sie kennen mich nicht, Fermín. Das ist auch nicht nötig. Was Sie tun müssen, ist, sich darauf konzentrieren, wie Sie hier rauskommen.«
»Das ist das andere, was ich Sie fragen wollte. Soviel ich weiß, haben Sie eine experimentelle Methode in Entwicklung, um aus diesem Nachttopf zu entkommen. Falls Sie ein gut abgehangenes, aber hochbegeistertes Versuchskaninchen brauchen, stehe ich Ihnen zu Diensten.«
Martín schaute ihn nachdenklich an.
»Haben Sie Dumas gelesen?«
»Von vorn bis hinten.«
»So sehen Sie auch aus. Wenn dem so ist, wissen Sie ja, wie der Hase läuft. Hören Sie mir gut zu.«
8
Nachdem er sechs Monate in Gefangenschaft verbracht hatte, veränderte eine Reihe von Ereignissen Fermíns bisheriges Leben grundlegend. Das erste war, dass in diesen Tagen, als das Regime noch glaubte, Hitler, Mussolini und Konsorten würden den Krieg gewinnen und Europa hätte bald dieselbe Farbe wie die Unterhosen des Generalísimo, eine tollwütige Flut von Schlächtern, Angebern und frischbekehrten politischen Kommissaren es geschafft hatte, die Zahl gefangener, verhafteter, gerichtlich verfolgter oder verschwundener Bürger auf ein historisches Ausmaß ansteigen zu lassen.
Da die Kerker des Landes aus allen Nähten platzten, hatte die Gefängnisdirektion auf Anweisung der Militärbehörden die Anzahl der Plätze verdoppelt, ja verdreifacht, um einen Teil der unzähligen Angeklagten aufzunehmen, die das ruinierte, elende Barcelona des Jahres 1940 überschwemmten. Zu diesem Behufe informierte der Direktor die Gefangenen in seiner schwülstigen Sonntagsansprache, dass sie von nun an ihre Zelle zu teilen hätten. Dr. Sanahuja wurde in Martíns Loch gesteckt, vermutlich, um ihn im Auge zu behalten und vor seinen selbstmörderischen Anwandlungen zu schützen. Fermín hatte die Zelle 13 mit seinem ehemaligen Nachbarn zu teilen, Nr. 14, und so weiter. Sämtliche Insassen des Gangs wurden zu Paaren gefügt, um Platz für die Neuen zu schaffen, die allnächtlich vom Modelo-Gefängnis oder von der Festung Campo de la Bota in Lieferwagen angekarrt wurden.
»Machen Sie kein solches Gesicht, mir passt das noch viel weniger als Ihnen«, sagte Nr. 14 nach dem Einzug bei seinem neuen Kollegen.
»Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Feindseligkeit bei mir Aerophagie auslöst«, drohte ihm Fermín. »Also hören Sie auf, anzugeben wie Buffalo Bill, und geben Sie sich ein wenig Mühe, höflich zu sein und mit dem Gesicht zur Wand zu pissen und nicht herumzuspritzen, oder Sie erwachen eines Morgens unter einer Pilzschicht.«
Fünf Tage lang richtete die ehemalige Nr. 14 kein Wort an Fermín. Schließlich, übermannt von den Schwefelfürzen, die ihm dieser jeden Morgen zukommen ließ, änderte er seine Strategie.
»Ich habe Sie ja gewarnt«, sagte Fermín.
»Na gut. Ich ergebe mich. Mein Name ist Sebastián Salgado. Gewerkschafter von Beruf. Geben Sie mir die Hand und lassen Sie uns Freunde sein, aber hören Sie ums Himmels willen auf mit diesen Fürzen, ich habe schon Halluzinationen und sehe im Traum den Zuckerjungen Charleston tanzen.«
Fermín gab dem anderen die Hand und stellte dabei fest, dass ihm der kleine und der Ringfinger fehlten.
»Fermín Romero de Torres, sehr angenehm, Sie endlich kennenzulernen. Von Beruf Geheimdienstler auf dem Sektor Karibik der Generalitat de Catalunya,
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