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Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Titel: Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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jetzt nicht mehr in Betrieb, aber von Berufung Bibliograph und Liebhaber der schöngeistigen Literatur.«
    Salgado schaute seinen neuen Leidensgenossen an und verdrehte die Augen.
    »Und da heißt es, der Spinner sei Martín.«
    »Ein Spinner ist der, der sich für vernünftig hält und glaubt, die Idioten seien nicht von seinem Stand.«
    Salgado gab sich geschlagen und nickte.

    Das zweite Ereignis fand einige Tage später statt, als ihn in der Abenddämmerung zwei Posten abholen kamen. Bebo öffnete ihnen die Zelle und versuchte, seine Besorgnis zu übertünchen.
    »Los, Zahnstocher, auf«, murmelte einer der Posten.
    Einen Augenblick glaubte Salgado, seine Bittgebete seien erhört worden und Fermín werde vors Erschießungskommando geführt.
    »Nur Mut, Fermín«, sagte er lächelnd. »Für Gott und Spanien zu sterben, das ist das Schönste, was es gibt.«
    Die beiden Posten packten Fermín, legten ihm Fußeisen und Handschellen an und schleiften ihn vor den sorgenvollen Blicken des ganzen Gangs und unter Salgados Gelächter weg.
    »Hier windest du dich auch mit Fürzen nicht raus«, sagte sein Kamerad lachend.

9
    Er wurde durch ein Gewirr von Tunnels zu einem langen Gang geführt, an dessen Ende man ein großes Holztor erblickte. Fermín fühlte Übelkeit in sich aufsteigen und dachte, so weit habe ihn also die elende Reise seines Lebens geführt und hinter dieser Tür erwarte ihn Fumero mit einem Lötkolben und einer Freinacht. Zu seiner Überraschung nahm ihm einer der Posten vor dem Tor die Schellen ab, während der andere sacht anklopfte.
    »Herein«, antwortete eine vertraute Stimme.
    So fand sich Fermín im Büro des Direktors wieder, einem luxuriös ausgestatteten Raum mit Stilmöbeln und Teppichen aus irgendeiner alten Villa der Bonanova. Das Bild wurde vervollständigt durch eine große spanische Flagge mit Adler, Schild und Beschriftung, ein Porträt des Caudillo, stärker retuschiert als ein Werbefoto von Marlene Dietrich, und den Herrn Direktor in persona, Mauricio Valls, der sich hinter seinem Schreibtisch lächelnd eine Importzigarette und ein Glas Brandy zu Gemüte führte.
    »Setz dich. Nur keine Angst.«
    Fermín sah neben sich einen Teller mit Fleisch, Erbsen und nach heißer Butter riechendem Kartoffelbrei dampfen.
    »Das ist keine Fata Morgana«, sagte der Direktor sanft. »Es ist dein Abendessen. Hoffentlich schmeckt es dir.«
    Fermín, der seit Juli 1936 kein derartiges Wunder mehr gesehen hatte, stürzte sich auf die Leckerbissen, ehe sie sich verflüchtigten. Mit einer Abneigung und Verachtung, die sein aufgesetztes Lächeln kaum verhehlen konnte, schaute ihm der Direktor beim Essen zu, steckte eine Zigarette an der anderen an und fuhr sich jede Minute durch sein pomadisiertes Haar. Als Fermín fertig war, bedeutete Valls den Posten, sich zurückzuziehen. Unter vier Augen wirkte der Direktor auf den Gefangenen viel unheilvoller als im Beisein bewaffneter Wachen.
    »Fermín, nicht wahr?«, fragte er beiläufig.
    Fermín nickte langsam.
    »Du wirst dich fragen, warum ich dich habe kommen lassen.«
    Fermín sank auf seinem Stuhl in sich zusammen.
    »Nichts, weswegen du dir Sorgen machen müsstest. Ganz im Gegenteil. Ich habe dich kommen lassen, weil ich deine Lebensbedingungen verbessern und, wer weiß, vielleicht sogar dein Urteil überprüfen lassen will – wir wissen ja beide, dass die Anklagepunkte, die dir zur Last gelegt wurden, unhaltbar sind. Das haben diese Zeiten so an sich, viel aufgewühltes Wasser, und manchmal büßen Gerechte für Sünder. Das ist der Preis für die nationale Wiedergeburt. Diese Erwägungen am Rande, sollst du verstehen, dass ich auf deiner Seite bin. Auch ich bin ein wenig ein Gefangener hier. Ich glaube, wir möchten beide so rasch wie möglich von hier wegkommen, und ich habe gedacht, wir könnten einander dabei helfen. Zigarette?«
    Schüchtern nahm Fermín sie entgegen.
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, hebe ich sie mir für nachher auf.«
    »Natürlich. Da, nimm das Päckchen.«
    Fermín steckte das Paket ein. Lächelnd beugte sich der Direktor über dem Schreibtisch vor. Im Zoo gab es eine Schlange, die genauso aussah, dachte Fermín, aber die fraß nur Mäuse.
    »Wie geht’s denn mit deinem neuen Zellenkollegen?«
    »Salgado? Eine Seele von Mensch.«
    »Ich weiß nicht, ob dir bekannt ist, dass dieser Schuft, bevor er eingebuchtet wurde, ein Revolverheld und Killer im Dienst der Kommunisten war.«
    Fermín schüttelte den Kopf.
    »Mir hat er gesagt,

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