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Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Titel: Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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dem Sanatorium Villa San Antonio. Offenbar erkannte ihn da einer der Ärzte, fragen Sie mich nicht, wie, und als sein Name den Behörden zu Ohren kam, wurde er nach Barcelona überführt.«
    »In die Höhle des Löwen.«
    »Das kann man wohl sagen. Natürlich hat der Prozess keine zwei Tage gedauert. Die Liste dessen, was man ihm anhängte, war endlos, und es gab kaum Indizien oder Beweise, um eine der Anklagen zu stützen, aber aus irgendeinem seltsamen Grund brachte es der Staatsanwalt fertig, dass zahllose Zeugen gegen ihn aussagten. Durch den Gerichtssaal zogen Dutzende Menschen, die Martín mit einer Inbrunst hassten, die sogar den Richter überraschte, und die vermutlich vom alten Vidal bestochen worden waren. Ehemalige Kollegen aus seiner Zeit bei einem unbedeutenden Blatt namens Die Stimme der Industrie , Kaffeehausliteraten, Unglückliche und Neider aller Art entstiegen den Gullys und schworen, dass Martín all das auf dem Gewissen hatte, wessen man ihn anklagte, und noch mehr. Sie wissen ja, wie so was läuft. Auf Anordnung des Richters – und Anraten Vidals – wurden alle seine Werke konfisziert und verbrannt, da man sie als subversiv und gegen Moral und gute Sitten verstoßend betrachtete. Als Martín im Prozess aussagte, die einzige gute Sitte, die er verteidige, sei die des Lesens und alles andere sei Sache jedes Einzelnen, fügte der Richter den vielen Jahren Freiheitsentzug noch einmal weitere zehn hinzu. Anscheinend nahm Martín im Prozess, anstatt auf die Frage hin zu schweigen, kein Blatt vor den Mund und schaufelte sich so sein eigenes Grab.«
    »In diesem Leben wird einem alles verziehen, außer die Wahrheit zu sagen.«
    »Jedenfalls wurde er zu lebenslänglich verurteilt. Die Stimme der Industrie , im Besitz des alten Vidal, zählte in einem ausführlichen Artikel all seine Vergehen auf, ergänzt durch einen Leitartikel. Dreimal dürfen Sie raten, aus wessen Feder er stammte.«
    »Aus der des vortrefflichen Herrn Direktor, Mauricio Valls.«
    »Genau. Dort bezeichnete er ihn als ›schlechtesten Autor der Geschichte‹ und pries den Umstand, dass seine Bücher verbrannt worden waren, denn sie seien ›ein Affront gegen die Menschheit und den guten Geschmack‹.«
    »Dasselbe hat man auch vom Palau de la Música gesagt«, ergänzte Fermín. »Da haben wir die Creme der internationalen Intelligenz. Schon Unamuno hat geschrieben: Sollen doch die anderen erfinden, wir beurteilen es dann.«
    »Unschuldig oder nicht, nachdem Martín öffentlich gedemütigt und jede einzelne von ihm verfasste Seite verbrannt worden war, landete er in einer Zelle des Modelo-Gefängnisses, wo er wahrscheinlich innerhalb weniger Wochen gestorben wäre, wenn nicht der Herr Direktor, der den Fall mit größtem Interesse verfolgt hatte und aus irgendeinem Grund von Martín besessen war, Zugang zu den Akten bekommen und seine Versetzung hierher beantragt hätte. Martín hat mir erzählt, am Tag seiner Ankunft habe ihn Valls in sein Büro bringen lassen und eine seiner Reden vom Stapel gelassen:

    ›Martín, obwohl Sie ein überführter Krimineller und sicherlich ein überzeugter Subversiver sind, haben wir etwas gemeinsam. Wir sind beide Literaten, und obwohl Sie Ihre unglückliche Laufbahn mit dem Verfassen von Schund für die ignorante Masse ohne geistige Leitlinien vertan haben, glaube ich, dass Sie mir vielleicht helfen und so Ihre Fehler abarbeiten können. Ich habe eine Reihe Romane und Gedichte, an denen ich in diesen letzten Jahren gearbeitet habe. Sie stehen auf höchstem literarischem Niveau, und leider muss ich sehr bezweifeln, dass es in diesem Lande der Analphabeten mehr als dreihundert Leser gibt, die ihren Wert zu verstehen und zu schätzen wissen. Darum habe ich gedacht, vielleicht könnten Sie, der Sie sich beim Pöbel mit seiner Straßenbahnlektüre professionell prostituiert haben, mir helfen, einige kleine Änderungen vorzunehmen, um mein Werk dem tristen Niveau der Leser in diesem Lande anzunähern. Wenn Sie sich kooperativ zeigen, versichere ich Ihnen, dass ich Ihr Hiersein sehr viel angenehmer gestalten kann. Ich könnte sogar erreichen, dass Ihr Fall wiederaufgenommen wird. Ihre kleine Freundin … Wie heißt sie noch mal? Ach ja, Isabella. Ein hübsches Mädchen, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten. Nun, Ihre Freundin hat mich aufgesucht und mir erzählt, sie habe einen jungen Anwalt, einen gewissen Brians, in ihre Dienste genommen und das nötige Geld für Ihre Verteidigung zusammengekratzt.

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