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Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Titel: Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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wiederkommen, fangen Sie hier an«, sagte er.
    Fermín faltete das Blatt auseinander und las:
FERNANDO BRIANS
Anwalt
Calle de Caspe, 12
Penthouse 1 a
Barcelona
Tel. 56 43 75
    »Wie kann ich bloß gutmachen, was Sie alles für mich getan haben?«
    »Wenn Sie Ihre Angelegenheiten geregelt haben, kommen Sie mal her und fragen Sie nach mir. Dann gehen wir in eine Flamencovorstellung von Carmen Amaya, und anschließend erzählen Sie mir, wie Sie es geschafft haben, dort oben wegzukommen. Ich bin gespannt.«
    Fermín schaute in diese schwarzen Augen und nickte langsam.
    »In welcher Zelle waren Sie denn, Armando?«
    »In Nr. 13.«
    »Stammen diese eingeritzten Kreuze an der Wand von Ihnen?«
    »Im Gegensatz zu Ihnen, Fermín, bin ich gläubig, aber mir ist der Glaube abhandengekommen.«
    An diesem Abend hinderte ihn niemand am Gehen, und niemand verabschiedete sich von ihm. Einer unter vielen Unsichtbaren, machte er sich auf zu den Straßen eines Barcelona, das nach Elektrizität roch. In der Ferne sah er die Türme der Sagrada-Familia-Kirche in einer roten Wolkendecke gefangen, die ein biblisches Gewitter verhieß, und ging weiter. Seine Schritte führten ihn zum Busbahnhof in der Calle Trafalgar. In den Taschen des Mantels, den ihm Armando geschenkt hatte, fand er Geld. Er kaufte sich eine Fahrkarte für die längste Strecke, die er fand, und verbrachte die Nacht im Bus, der unter dem Regen über leere Landstraßen fuhr. Das wiederholte er am nächsten Tag, und so gelangte er nach Tagen der Züge, Fußmärsche und Nachtbusse an einen Ort, wo die Straßen keinen Namen und die Häuser keine Nummern hatten und wo sich nichts und niemand an ihn erinnerte.

    Er hatte hundert Beschäftigungen und keinen Freund. Er verdiente Geld und gab es aus. Er las Bücher, die von einer Welt sprachen, an die er nicht mehr glaubte. Er begann Briefe zu schreiben, für die er nie ein Ende fand. Er lebte gegen die Erinnerung und die Gewissensbisse an. Mehr als einmal ging er in die Mitte einer Brücke oder trat dicht an eine Schlucht heran und schaute gelassen in die Tiefe. Immer erinnerte er sich im letzten Moment an dieses Versprechen und den Blick des Gefangenen des Himmels. Nach einem Jahr gab er das Zimmer auf, das er über einem Café gemietet hatte, und mit nichts im Gepäck als einem Exemplar von Die Stadt der Verdammten, das er auf einem Trödelmarkt gefunden hatte, möglicherweise dem einzigen Buch Martíns, das nicht verbrannt worden war und das er ein Dutzend Mal gelesen hatte, ging er die zwei Kilometer zum Bahnhof und kaufte die Fahrkarte, die diese ganzen Monate auf ihn gewartet hatte.
    »Einmal Barcelona, bitte.«
    Der Schalterbeamte reichte ihm die Fahrkarte mit einem verächtlichen Blick:
    »Wie kann man bloß«, sagte er, »zu diesen Scheißkatalanen …«

5
    Barcelona, 1941
    Es wurde gerade dunkel, als Fermín nach einer langen Fahrt im Francia-Bahnhof aus dem Zug stieg. Die Lokomotive hatte eine Dampf- und Rußwolke ausgespuckt, die sich über den Bahnsteig zog und die Schritte der Passagiere verhüllte. Fermín reihte sich in den schweigenden Marsch zum Ausgang ein, Leute in zerlumpten Kleidern, die mit Schnüren zusammengehaltene Koffer schleppten, vorzeitig Gealterte, die ihre gesamte Habe in einem Bündel mit sich trugen, und Kinder mit leerem Blick und leeren Taschen.
    Eine Zweierstreife der Guardia Civil bewachte den Eingang zum Bahnsteig, und Fermín sah ihre Augen über die Passagiere schweifen; ab und zu fragten sie jemanden nach seinen Papieren. Er ging geradeaus weiter direkt auf einen von ihnen zu. Als nur noch etwa zwölf Meter sie trennten, bemerkte er, dass ihn der Zivilgardist beobachtete. In Martíns Roman, der ihm diese ganzen Monate Gesellschaft geleistet hatte, sagte eine der Figuren, am besten könne man die Autoritäten entwaffnen, indem man sich an sie wende, ehe sie sich an einen wenden. Bevor der Beamte auf ihn deuten konnte, trat Fermín zu ihm und sprach ihn mit heiterer Stimme an:
    »Guten Abend, Chef. Wären Sie wohl so freundlich und würden Sie mir sagen, wo sich das Hotel Porvenir befindet? Soweit ich weiß, liegt es auf der Plaza Palacio, aber ich kenne die Stadt kaum.«
    Der Gardist schaute ihn schweigend an, ein wenig verwirrt. Sein Kollege war hinzugetreten und deckte seine rechte Flanke.
    »Das werden Sie am Ausgang erfragen müssen«, sagte er in wenig freundlichem Ton.
    Fermín nickte höflich.
    »Entschuldigen Sie die Störung. Das werde ich tun.«
    Er wollte schon auf die

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