Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels
paar Tage lang eine strenge Diät einhalten, doch am nächsten Morgen ging es ihr noch schlechter. Señor Sempere hüllte sie in Decken, und ein Taxifahrer aus der Nachbarschaft brachte sie ins Hospital del Mar. Auf der Haut hatte sie schwarze Flecken bekommen, wie Wunden, und das Haar fiel ihr büschelweise aus. Im Krankenhaus warteten sie zwei Stunden, aber schließlich weigerten sich die Ärzte, sie zu untersuchen – da war ein weiterer Patient im Wartezimmer, der noch nicht an die Reihe gekommen war und sagte, er kenne Sempere, der sei Kommunist gewesen, oder sonst so ein Unsinn. Vermutlich, um eher dranzukommen. Eine Krankenschwester gab ihnen einen Sirup mit, der gut sei, um den Magen zu reinigen, doch Isabella brachte gar nichts herunter. Sempere wusste nicht mehr weiter. Er brachte sie nach Hause und begann, einen Arzt nach dem anderen anzurufen. Niemand hatte eine Ahnung, was mit ihr los war. Ein Arzthelfer, Stammkunde der Buchhandlung, kannte jemanden, der im Klinikum arbeitete. Sempere brachte sie hin.
Im Klinikum sagte man, es könne Cholera sein, er solle sie wieder nach Hause bringen, es gebe gerade zahlreiche solche Fälle, und sie hätten keinen Platz. Im Viertel waren schon mehrere Personen gestorben. Isabella ging es von Tag zu Tag schlechter. Sie delirierte. Ihr Mann setzte Himmel und Hölle in Bewegung, aber nach einigen Tagen war sie so schwach, dass sie nicht einmal mehr ins Krankenhaus gefahren werden konnte. Eine Woche nach der Erkrankung starb sie, in der Wohnung in der Calle Santa Ana, über der Buchhandlung …«
Ein langes Schweigen legte sich zwischen sie, nur begleitet vom Prasseln des Regens und vom Echo der Donnerschläge, die sich entfernten, während sich der Wind allmählich legte.
»Erst einen Monat später erfuhr ich, dass sie eines Abends im Café de la Ópera gesehen worden war, gegenüber dem Liceo-Theater. Sie saß mit Mauricio Valls zusammen. Sie hatte nicht auf meinen Rat gehört und ihm gedroht, seinen Plan auffliegen zu lassen, dass Martín weiß Gott was für einen Schwachsinn umschreiben sollte, mit dem er Ruhm und Medaillen einzuheimsen hoffte. Ich ging hin und erkundigte mich. Der Kellner erinnerte sich, dass Valls als Erster gekommen war, mit dem Auto, und zwei Kamillentee und Honig bestellt hatte.«
Fermín wog die Worte des jungen Anwalts ab.
»Und Sie glauben, Valls hat sie vergiftet?«
»Ich kann es nicht beweisen, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger bezweifle ich es. Es muss Valls gewesen sein.«
Fermín starrte zu Boden.
»Weiß es Señor Martín?«
»Nein. Nach Ihrer Flucht ließ Valls Martín in die Isolierzelle in einem der Türme bringen.«
»Und Dr. Sanahuja? Hat man die beiden nicht zusammengelassen?«
Brians seufzte niedergeschlagen.
»Sanahuja wurde wegen Verrats vor ein Militärgericht gestellt und zwei Wochen später füsiliert.«
Ein langes Schweigen machte sich in dem Raum breit. Fermín stand auf und trat erregt von einem Fuß auf den andern.
»Und mich, warum hat mich niemand gesucht? Schließlich und endlich bin ich ja die Ursache von allem …«
»Sie gibt es nicht. Um sich die Erniedrigung vor seinen Vorgesetzten und das Scheitern seiner verheißungsvollen Karriere im Regime zu ersparen, ließ Valls die Patrouille, die er nach Ihnen ausgeschickt hatte, schwören, sie hätten Sie erschossen, als Sie auf dem Hang des Montjuïc zu fliehen versuchten, und dann ins Massengrab geworfen.«
Fermín schmeckte die Wut auf den Lippen.
»Schauen Sie, ich hätte die größte Lust, gleich jetzt vor die Militärregierung zu treten und zu sagen: ›Hier habt ihr meine Eier.‹ Dann würden wir ja sehen, wie Valls meine Auferstehung erklärt.«
»Reden Sie keinen Unsinn. So lösen Sie gar nichts. Das Einzige, was Sie erreichen würden, wäre, zur Carretera de las Aguas gebracht und mit einem Nackenschuss ins Jenseits befördert zu werden. Das ist dieses Geschmeiß nicht wert.«
Fermín nickte, aber Scham und Schuldgefühl zehrten an ihm.
»Und Martín? Was wird aus ihm werden?«
Brians zuckte die Achseln.
»Was ich weiß, ist vertraulich und darf diesen Raum nicht verlassen. Es gibt einen Gefängniswärter im Kastell, einen gewissen Bebo, der mir mehr als eine Gefälligkeit schuldig ist. Ein Bruder von ihm sollte hingerichtet werden, aber ich habe erreicht, dass das Todesurteil in eine zehnjährige Gefängnisstrafe in Valencia umgewandelt wurde. Bebo ist ein guter Kerl und erzählt mir alles, was er im Kastell sieht und
Weitere Kostenlose Bücher