Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels
hört. Valls lässt mich nicht zu Martín, aber durch Bebo habe ich erfahren, dass er lebt und dass Valls ihn im Turm einschließt und rund um die Uhr unter Bewachung hält. Er hat ihm Papier und Federn gegeben. Bebo sagt, Martín schreibt.«
»Schreibt was?«
»Wer weiß. Valls glaubt, oder das hat mir wenigstens Bebo gesagt, Martín schreibt das Buch, mit dem er ihn beauftragt hat, auf der Grundlage seiner Notizen. Aber Martín, der, wie wir ja beide wissen, nicht ganz bei Trost ist, schreibt anscheinend etwas anderes. Manchmal wiederholt er laut, was er schreibt, oder er steht auf und beginnt in der Zelle rumzugehen und Dialogfetzen und ganze Sätze zu rezitieren. Bebo hat Nachtschicht bei seiner Zelle, und wenn es geht, gibt er ihm Zigaretten und Zuckerwürfel, das ist das Einzige, was er isst. Hat Martín einmal etwas von einem Spiel des Engels erzählt?«
Fermín verneinte.
»Ist das der Titel des Buches, an dem er schreibt?«
»Das sagt Bebo. Soweit er verstanden hat, was ihm Martín erzählt und was er ihn sonst sagen hört, ist es so etwas wie eine Autobiographie oder eine Beichte … Wenn Sie meine Meinung hören wollen, hat Martín gemerkt, dass er im Begriff ist, den Verstand zu verlieren, und versucht nun, zu Papier zu bringen, was er noch weiß, bevor es zu spät ist. Es ist, als schreibe er sich selbst einen Brief, um zu erfahren, wer er ist …«
»Und was geschieht, wenn Valls entdeckt, dass er nicht seinen Anweisungen folgt?«
Anwalt Brians schaute ihn düster an.
10
Als es zu regnen aufhörte, war es schon fast Mitternacht. Von Anwalt Brians’ Dachgeschosswohnung aus sah Barcelona unter den sich tief über die Dächer schleppenden Wolken ungastlich aus.
»Haben Sie denn einen Ort, wo Sie hingehen können, Fermín?«, fragte Brians.
»Ich habe ein verlockendes Angebot, mich bei einem etwas leichtlebigen, aber warmherzigen jungen Mädchen mit einer Karosserie, die einem den Schluckauf nimmt, als Leibwächter ins Konkubinat zu begeben, aber ich sehe mich nicht in der Rolle des Zuhälters, nicht einmal zu Füßen der Venus von Jerez.«
»Die Vorstellung, dass Sie auf der Straße sind, will mir nicht gefallen, Fermín. Es ist gefährlich. Sie können hierbleiben, solange Sie wollen.«
Fermín schaute um sich.
»Ich weiß, es ist nicht das Hotel Colón, aber ich habe da hinten ein Klappbett, schnarche nicht und wäre, ehrlich gesagt, dankbar für die Gesellschaft.«
»Haben Sie denn keine Freundin?«
»Meine Freundin war die Tochter des Gründers der Kanzlei, die mich mit Hilfe von Valls und Konsorten rausgeschmissen hat.«
»Diese Geschichte mit Martín bezahlen Sie teuer. Keuschheits- und Armutsgelübde …«
Brians lächelte.
»Geben Sie mir eine verlorene Sache, und ich bin glücklich.«
»Dann nehme ich Sie beim Wort. Aber nur, wenn ich mithelfen und etwas dazu beitragen darf. Ich kann saubermachen, ordnen, Maschine schreiben, kochen, mit Beratung sowie Detektiv- und Beschattungsdiensten aufwarten, und wenn Sie in einen hormonellen Engpass geraten und Druck ablassen müssen, dann bin ich überzeugt, dass Ihnen meine Freundin Rociíto einen professionellen Service anbieten kann, nach dem Sie wie neugeboren sind – in jungen Jahren muss man aufpassen, dass einem nicht ein Überschuss an Samenflüssigkeit in den Kopf steigt, und später ist es noch schlimmer.«
Brians gab ihm die Hand.
»Abgemacht. Sie sind verpflichtet als stellvertretender Bürovorsteher der Kanzlei Brians und Brians, Verteidiger der Insolventen.«
»So wahr ich Fermín heiße, bringe ich Ihnen noch vor dem Wochenende einen der Mandanten, die bar oder im Voraus zahlen.«
So richtete sich Fermín Romero de Torres einstweilen in Anwalt Brians’ winzigem Büro ein, wo er die Dossiers, Kladden und offenen Fälle zu ordnen, zu reinigen und à jour zu bringen begann. In wenigen Tagen verdreifachte das Büro dank seinen Künsten die Fläche und wurde zum Schmuckkästchen. Er blieb die meiste Zeit drinnen, unternahm aber zwei Stunden täglich verschiedene Expeditionen, von denen er immer mit einer Handvoll Blumen aus dem Foyer des Tivoli-Theaters, etwas Kaffee, den er einer Kellnerin des Lokals im Erdgeschoss abschmeichelte, und Feinkostartikeln aus der Lebensmittelhandlung Quílez zurückkehrte, die er aufs Konto der Kanzlei anschreiben ließ, welche Brians gefeuert und als deren neuen Botenjungen er sich vorgestellt hatte.
»Fermín, dieser Schinken ist phantastisch, wo haben Sie den her?«
»Probieren Sie
Weitere Kostenlose Bücher