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Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)

Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)

Titel: Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfhart Berg
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für die totale Überwachung. Orwell musste nicht mehr miterleben, wie der gläserne, digital durchkontrollierte Bürger Realität wird – nur ein paar Jahre nach 1984 .

JAUME RAMON MERCADER
    1913 – 1978
    Kaum jemand will ihn in Barcelona noch kennen. Dabei wurde der katalanische Revolutionär und sowjetische Agent einer der berühmtesten politischen Mörder. Ein Leben wie ein Film …
    G raf Guifré el Pilós oder König Jaume el Conqueridor haben katalanische Geschichte geformt. Andere Söhne Barcelonas wie Gaudí oder Miró haben Weltruhm erlangt. Weltgeschichte aber hat nur ein einziger gebürtiger Barceloner geschrieben, doch selbst den meisten Katalanen ist er kein Begriff, was erstaunlich bis geradezu ungerecht ist, denn der Mann riskierte fünf Leben mit fünf verschiedenen Namen für seine Ideen und wurde einer der berühmtesten politischen Mörder. Jaume Ramon Mercader kämpfte für die Arbeiterbewegung in Barcelona, zog unter
Francos
Diktatur in den Partisanen-Untergrund, wurde Kommunist, kam nach Moskau in die ideologische Kaderschmiede und wurde 1939 von Stalins Geheimdienst NKWD als »Schläfer« in den USA und Mexiko geparkt – ein abenteuerliches, filmreifes Leben.
    Mercader wartet ab 1939 in New York und dann in Mexico-Ciudad auf den entscheidenden Befehl aus Moskau. Der kommt über den NKWD -Offizier
Pawel Sudoplatow
von Stalin persönlich. Am 20 . August 1940 gegen 17.20  Uhr ist es so weit. Ramon Mercader tötet Stalins Todfeind Nr.  1  – mit einem Eispickel. Sein Opfer ist Lew Dawidowitsch Bronstein, berühmt als
Leo Trotzki
, Gründer der Roten Armee, marxistischer Weltrevolutionär und Stalins gefährlichster Gegenspieler. Ramon Mercader kommt für 20  Jahre hinter mexikanische Gitter. Er hat seine Heimatstadt Barcelona nie wiedergesehen.
    Die jugendliche Revoluzzer-Entwicklung Mercaders kann man im historischen Umfeld Barcelonas besser verstehen: Ramon wächst in einem wohlhabenden Elternhaus im
Barri Gòtic
auf. Seine Großeltern väterlicherseits waren reiche Kaufleute, die ihr Vermögen in den Kolonien machten. Sein Vater
Pablo
ist erfolgreicher Textilkaufmann, seine Mutter
Maria Caridad
eine bildschöne Intellektuelle. Zu Hause spricht man Català und Französisch. Ramon geht auf die besten Schulen Barcelonas, fährt aber in seinen Ferien lieber mit den Fischern von
Sant Feliu de Guíxols
an der Costa Brava aufs Meer raus.
    Das innere Klima in der boomenden Industriestadt Barcelona ist eher revolutionär denn bürgerlich. Ramons Mama sympathisiert schon früh mit den Arbeitern der familiären Textilfabrik. Sie ist dabei, als in der Nacht vom 30 . Oktober zum 1 . November 1910 nach einem blutigen Wochenende zwischen Arbeitergruppen und der Armee in Barcelonas Palast der Schönen Künste die CNT gegründet wird. Die »Confederación Nacional del Trabajo« ist damals eine anarchosyndikalistische Gewerkschaft, die sich schnell in ganz Katalonien ausbreitet, Streiks und bewaffnete Straßenkämpfe organisiert und im Spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 mit zwei Millionen Mitgliedern auf der Seite der Republikaner gegen General Franco antritt. Ihre Zentrale hat die CNT in der Carrer dels Mercaders no 25 ( ▶ H 5 ) , heute noch ein uralter Block in einer ungepflegten dunklen Parallelstraße der Via Laietana im Antic-Viertel.
    Nur 200  Meter um die Ecke befindet sich auch die Zentrale des katalanischen Unternehmerverbands. Die verunsicherten Großbürger formieren gegen die CNT sogenannte »Freie Gewerkschaften«. Deren Hauptaufgabe besteht darin, zwischen 1917 und 1930 mit angeheuerten professionellen Todeskommandos Attentate gegen CNT -Mitglieder zu verüben. Es kommt in den dunklen Gassen der Arbeiterviertel
Barceloneta, Ribera
und
Raval
zu Generalstreiks, Aussperrungen, Hungersnöten und bewaffneten Untergrundkämpfen.
    Hier treibt sich Ramon Mercader als Junge herum. Und als Jugendlicher wird er von seiner revolutionären Mutter beeinflusst. Maria Caridad hat sich von Ehemann und bürgerlichen Normen verabschiedet, sucht in Anarchokreisen ihre Geliebten aus, wird wegen Kokainbesitz bestraft und liiert sich in den 1930 ern mit einem Komintern-Agenten aus Moskau. Da hat ihr Sohn Ramon schon die Schule geschmissen und sich in die Anarchoszene Barcelonas integriert. Er gründet 1935 eine leninistische Minipartei, gibt im Rotlichtviertel des Raval, in der Bar
Joaquín Costa
, Carrer Guifré ( ▶ E 6 ) , Arbeiterkindern Schreibunterricht und muss nach einem Bombenattentat für

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