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Bardo - Rueckfahrkarte Leben Tod

Titel: Bardo - Rueckfahrkarte Leben Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Portier
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auf, packt ihn am Ärmel, drückt ihn gegen die Wand und küsst ihn. Von unten betrachtet Lucie die beiden neugierig aus ihrem Sportwagen.

    Ein Hemd bedeckt teilweise eine große, gerade angefangene Pizza. Andere Kleidungsstücke liegen da und dort auf dem Parkett herum. Etwas weiter weg Unterwäsche, dann, im Bett, Anne und Evan, nackt, engumschlungen.

     
     
     
     
     
    Der Bahnsteig ist schwarz von Menschen. Es ertönt der Pfiff zur Abfahrt. An die Außenwand des Waggons gelehnt, umarmt Evan Anne. Die Tür wird geschlossen. Der Zug setzt sich in Bewegung. Anne winkt. Sie weint.

    Der Tiegel mit Wachs, die Cantings und der Holzrahmen sind auf dem Küchentisch angeordnet. Anne steht vor dem Gasherd, wo ein Topf brodelt. In ihrem langärmligen Kittel, ausgerüstet mit einem langen Holzstock, zieht sie daraus ein aufgequollenes, zerknittertes Tuch hervor, von dem eine granatfarbene Flüssigkeit tropft.

    Oben in ihrem Zimmer hebt Anne Lucies Beine hoch und schiebt ihr eine Windel unter den Po. Im Erdgeschoss läutet das Telefon. Rose nimmt ab.
    »Anne, es ist für dich.«
    »Ich komme!«
    Sie tätschelt ihrer Tochter den Bauch.
    »Du rührst dich nicht von der Stelle. Ich bin gleich wieder da.«

    Anne stürzt aus dem Zimmer, rast die Treppe hinunter und ergreift den Hörer.
    »Hallo.«
    »Guten Tag, verzeihen Sie bitte die Störung. Ich heiße Ajeet und bin ein Freund von Evan.«
    Der Mann hat einen starken Akzent.
    »Seit einigen Tagen versuche ich ihn zu erreichen, leider ohne Erfolg. Im Krankenhaus hat man mir gesagt, dass Sie mir sicherlich weiterhelfen könnten.«
    Erstaunt runzelt Anne die Stirn, wirft einen Blick zum oberen Stockwerk und antwortet schnell.
    »Ich würde Ihnen gerne weiterhelfen, habe jedoch weder seine Adresse noch seine Telefonnummer. Ich weiß nur, dass er irgendwo in der Nähe von Montreal eine Erholungskur macht. Er kehrt in drei Wochen zurück.«
    »Sie kennen nicht den Namen des Ortes?«
    »Nein, tut mir leid. Entschuldigen Sie, aber ich muss jetzt das Gespräch beenden. Mein Baby wartet auf mich. Auf Wiedersehen.«
    »Danke. Auf Wiedersehen.«
    Anne legt auf und eilt nach oben.

    Der strahlende Weihnachtsbaum steht vor dem Fenster des Salons. Mittendrin sitzt Anne mit überkreuzten Beinen auf dem Teppich. Behutsam löst sie ein gelbes Band, das um das weinrote Seidenpapier eines Geschenks geschlungen ist. Hinter ihr, in der Küche, plappert Lucie fröhlich, ermuntert von der Großmutter. Anne faltet die Verpackung auseinander. Ein schönes Buch kommt zum Vorschein: Tangkas. Buddhist Paintings from Tibet . Anne hebt es hoch und blättert langsam darin. Zwischen zwei Seiten gleitet ein dicker Briefumschlag nach unten und fällt zu Boden. Anne nimmt und öffnet ihn, zieht zwei Flugtickets heraus: Toronto-Kalkutta. Sie lächelt. Aufrecht an den Marmorsims des Kamins gelehnt, betrachtet Evan sie verliebt. Seine Haare sind gewachsen. Er hat zugenommen, ist gebräunt. Er wirkt topfit, wie verwandelt.

    Die himmlischen Stimmen, die aus den Lautsprechern dringen, vermischen sich mit dem ohrenbetäubenden Lärm des menschlichen Magmas. Es ist der große Abreisetag auf dem Flughafen Pearson International. Im Hintergrund, vor der Sicherheitskontrolle, schließt Anne Lucie ein letztes Mal in die Arme, um sie dann ihrem Vater anzuvertrauen. Der Beamte reicht ihnen
die Pässe. Evan nimmt sie entgegen und gibt Anne ein Zeichen, indem er auf seine Armbanduhr tippt: Sie müssen los. Anne verteilt die letzten Küsse an ihre Eltern und ihre Tochter, dreht sich um und betritt die Transitzone.

    Die Sonne geht auf und bestrahlt den Dunst, der vom Boden steigt. Anne liegt rücklings auf ihrem Leichnam, die Augen weit geöffnet. Über ihr entfaltet der wolkenlose, durchscheinende Himmel seine orangenen Farbtöne.
    Wie schön das ist … Und wenn ich einfach hierbliebe, ohne mich zu rühren, ohne nachzudenken, allein, friedlich? Was könnte mir schon passieren?
    Das Knistern des Reisigs unterbricht ihre Seelenruhe. Anne dreht den Kopf. Im Abstand von einigen Metern nähert sich Tsepel, die Arme voll toter Zweige. Er wirft das Bündel auf den schon bestehenden Haufen, setzt sich schwerfällig, zieht einen Lappen aus der Tasche und wischt sich die Stirn ab. Vor ihm macht das Feuer seinen letzten Atemzug.
    Worauf wartet er? Warum legt er kein Holz nach?
    Anne seufzt. Neben ihr, an den Leichnam geschmiegt, schläft Evan. Die Mullbinden, die seine Schiene zusammenhalten,
sind mit Staub bedeckt. Einige haben sich

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