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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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ungezielter und unbegründeter Schuss ins Blaue. Mit der Zeit wurde die Sache ja etwas klarer, aber zu diesem Zeitpunkt wie auch während der folgenden Tage, während ich mich weiter durch die schwer zugänglichen Formulierungen im Manuskript kämpfte, war ich immer noch bereit, alles als ein reines Werk der Phantasie abzutun. Ein Zusammentreffen sonderbarer Umstände sowie Überinterpretation, nicht viel mehr.
     
    Meine Kontakte mit Privatdetektiv Maertens verliefen regelmäßig so, wie wir es abgemacht hatten. Montags und donnerstags schaute ich nach meiner Arbeit in der Bibliothek in seinem Büro in der Prohaskaplein vorbei, und jedesmal zuckte er nur etwas bedauernd mit den Schultern und erklärte, dass man noch keine Spur gefunden habe.
    Nach einer Anzahl derartiger Besuche begann ich zweifellos ein wenig die Hoffnung aufzugeben. Maertens zeigte sich nie auch nur im Geringsten davon peinlich berührt, dass er nichts zu Stande gebracht hatte, und die Sache hatte mich bereits eine ganze Menge gekostet. Schließlich fragte ich ihn direkt, ob er glaube, dass es überhaupt irgendwelche Erfolgsaussichten geben könnte, aber er antwortete nur, dass es unmöglich sei, irgendeine Prognose zu stellen.
    Als ich das Detektivbüro an diesem Abend verließ – es muss irgendwann so Mitte Februar gewesen sein –, herrschte Mutlosigkeit in mir. Ich hatte mich zielstrebig und langsam bis zu Seite 90 in Reins Manuskript vorgearbeitet, gut über die Hälfte mit anderen Worten, aber die letzten Tage waren zäh gewesen. Die Sprache war ab und zu fast undurchdringlich, und auch wenn ich inzwischen ziemlich problemlos die passenden Begriffe und Formulierungen fand, so schien mir oft, als ergäbe der Text überhaupt keinen Sinn. Zumindest keinen Sinn, den ich hätte entdecken können. Einfach nur ein trostlos unkontrollierter innerer Monolog, meistens bei der Hauptperson R angesiedelt, ab und zu träumerisch, aber auf Worten und Wortmassen aufgebaut statt auf Bildern. Meine Ahnung hinsichtlich einer verborgenen Botschaft war mir immer unwahrscheinlicher geworden, und das Einzige, was ich noch vor mir hatte, wie ich annahm, das waren weitere siebzig Seiten des gleichen Breis. Und ich begann mich auch zu fragen, welche Leser diese subjektive Betonprosa eigentlich ansprechen sollte und ob Kerr und Amundsen sich nicht doch zu früh die Hände gerieben hatten.
    Über die Dichter-Sequenz konnte ich natürlich weiter grübeln, aber dass diese sieben Worte den ganzen Sinn des hinterlassenen Textes ausmachen sollten, das erschien mir doch ziemlich unverhältnismäßig.
    Als ich an diesem Abend ins Nemesis trat – ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass es genau der 15. Februar war –, da hätte ich Rein am liebsten zur Hölle gewünscht. Wo er andererseits wohl bereits war.
    Ich trank stehenden Fußes zwei Bier, dann ging ich geradewegs nach Hause. Auf der Treppe lag meine Post, an diesem Tag bestehend aus einem einzigen, ziemlich dicken Brief, und als ich den Absender las, wusste ich, dass er von Kerr war, der mir endlich den Bericht über Reins Tod geschickt hatte, um den ich ihn gebeten hatte. (Erst sehr viel später erfuhr ich von dem Unfall seiner Tochter, der der Grund dafür war, dass es so lange gedauert hatte.)
    Wenig später saß ich im Sessel mit einer Tasse Tee in der Hand und Beatrice auf dem Schoß und las Kerrs Bericht. Er war sechs Seiten lang, Kerr hatte sich zweifellos ziemliche Mühe gegeben, und als ich fertig war, ging ich sofort alles noch einmal durch. Es waren eigentlich keine besonderes Aufsehen erregenden Informationen, nichts, was ich nicht schon vorher gewusst hatte, aber als ich nun alle Umstände in dieser komprimierten Form serviert bekam, da meinte ich, den einen oder anderen Berührungspunkt mit dem Text zu erahnen, den ich gerade übersetzte. Nichts, was unmittelbar greifbar war, aber ich beschloss dennoch, am nächsten Tag alles, was ich bisher geschrieben hatte, noch einmal sorgfältig durchzugehen, um zu überprüfen, ob es möglicherweise etwas brachte.
    Oberflächlich betrachtet hatte Reins Tod auf den ersten Blick nichts besonders Merkwürdiges an sich. Am Freitag, dem 19. November, war er zusammen mit seiner Frau und seinem Verleger in das Haus des Ehepaars am Behrensee gefahren. Nach einem ziemlich feuchten Abend und einer ebensolchen Nacht war die Gattin am folgenden Tag so gegen Mittag aufgewacht und hatte zufällig einen Abschiedsbrief gefunden, der sich noch in der Schreibmaschine befand. Er

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