Barry Trotter und die schamlose Parodie
und der Gesetzlosigkeit. Die Schule lag in einer schrecklich heruntergekommenen Gegend. Drei Kids setzten gerade ein ausrangiertes Sofa in Brand. Ein Räuber ließ von dem Auto ab, das er gerade aufbrechen wollte, und glotzte nach oben. Eine Hausfrau fotografierte sie von ihrer Hintertür aus. Barry schnitt eine Grimasse, um sie zu ärgern, und sie zeigte ihm den Mittelfinger. Endlich wirkte auch Hermelines Kraut, und die Gestalten auf der Erde wurden kleiner und kleiner.
Während die drei so dahinflogen, fand jeder seinen Rhythmus: Barry und Lon pröteten immer wieder heftig, um die nötige Schubkraft zu erzeugen, Hermeline dagegen nieste zarter, aber dafür häufiger, und lenkte sie, wann immer nötig, wie die Bremsraketen an einer Raumkapsel in diese oder jene Richtung.
Lon sah es als erster: In der Ferne spielten zwei Drachen, Irische Whiskeyrülpser, mit einem Passagierflugzeug. Die Drachen flatterten neben einer Maschine voller Muddel her, die offensichtlich zwischen ihrer altbewährten Taktik, einfach ihren Augen nicht zu trauen, und dem Impuls, sich vor lauter Angst in die Hose zu machen, hin und her gerissen waren. Die Drachen bespuckten den Flugzeugrumpf mit Feuer, als wollten sie ausprobieren, wie weit sie die Maschine aufheizen konnten, ohne dass der Treibstoff in Brand geriet.
Die Freunde sahen sich das Spielchen einige Minuten mit an, während der Pilot verzweifelt versuchte, den Drachen zu entkommen, diese jedoch mühelos dranblieben. Schließlich hatte Barry genug und holte seinen Zauberstab heraus. Zwischen zwei Niesern brüllte er:
» Kumulus! «
Die Drachen verwandelten sich auf der Stelle in wattigweiße Abbilder ihrer selbst; sie schauten sich einen Moment lang verwundert um, dann lösten sie sich auf.
Es konnte nicht mehr weit sein. Mit ihrer Oma-Brille auf der Nase hielt Hermeline durch die Wolken hindurch nach dem märchenhaften Rollins-Anwesen Ausschau. Schließlich deutete sie auf die Erde und nickte. Lon wollte gerade noch einmal so richtig lospröten, aber im letzten Moment langte Barry mit seiner freien Hand hinüber und hielt ihm die Nase zu. Eine entsetzliche Sekunde lang fragte er sich, ob ein unterdrückter Nieser Lons Kopf sprengen würde. Aber nichts dergleichen geschah. Statt dessen pfiff der Luftstrom zu seinen beiden Kopflöchern hinaus und brachte die Ohrenklappen seiner Mütze dermaßen zum Flattern, dass sie für das bloße Auge fast nicht wahrnehmbar waren. Lachend schwebten sie wie Blätter auf den Sand nieder, der den Boden bedeckte. Barrys Socken, die einen herben Moschusgeruch verströmten, zogen eine stinkende Kondensspur hinter sich her.
Hermeline und Barry begannen sich loszubinden. »Na, wie findest du den Reiseschnupftabak?« fragte Hermeline.
»Besser als die U-Bahn«, sagte Barry. »Allerdings geht das ganz schön auf die Nebenhöhlen.« Er betastete sein Gesicht, das ganz heiß wurde und höllisch weh zu tun begann. »Fühlt sich an, als hätte ich sie mit Schmirgelpapier bearbeitet.«
»Immerhin brauchten wir nicht über das Tor zu klettern«, sagte Hermeline und deutete auf den meterhohen schmiedeeisernen Zaun. Auf ihrer Seite befand sich ein gut zwanzig Meter breiter Strandstreifen, gesäumt von unglaublich blauem Wasser, auf der anderen sah man das taubenetzte Grün Schottlands.
Etwas Weißes fiel Hermeline am Fuß des Zauns ins Auge. »Guckt mal, ein Kaninchen!« rief sie. Wie zweifelsohne andere einheimische Kreaturen auch war es bass erstaunt darüber, sich mitten in Schottland an einem karibischen Strand wiederzufinden. »Es hängt fest.«
»Ich werd es retten! Wuff! « machte Lon und rannte los. Die anderen folgten.
Das Kaninchen war zwischen zwei Pfosten eingeklemmt. Lon fasste sie in Schulterhöhe an und prüfte ihre Stärke; sie fühlten sich merkwürdig an — die Strandseite war so heiß, das es weh tat, aber zum Moor hin waren sie kühl. Er zerrte daran, aber sie rührten sich nicht.
»Sieht aus wie ein Fall für — den hier«, sagte Lon und holte seinen Zauberstab heraus.
»Das halte ich für keine sehr gute Idee«, sagte Barry. Die Spur ungewollter Zerstörung, die Lon und sein Zauberstab in den letzten Jahren hinterlassen hatten, war beträchtlich. »Vielleicht solltest du ...«
Lon hörte nicht auf ihn und kniete nieder. Das Kaninchen zitterte vor Angst, die roten Augen weit aufgerissen. »Du süßes Häschen, ich hol dich da raus. Lieber Hase — AUA!« Das verängstigte Tier hatte Lon in den Finger gebissen. »Aaahh!«
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