Barry Trotter und die schamlose Parodie
(Alles darüber hinaus würde nur unnötig Aufmerksamkeit erregen, sagte sie.)
Und so machte Barry es sich in seinem kuscheligen Coupé bequem und schaute aus dem zerkratzten und verschmierten Fenster, während aus seinen Kopfhörern >Valid Tumor Alarm< dröhnten. Deren letzte Platte, >Kill You? Sure!<, war gerade mit Platin ausgezeichnet worden, und Barry hatte sich auf dem Weg zum Bahnhof noch schnell eine besorgt. Die versauten Texte und hyperaggressiven Beats beruhigten ihn auf eine Weise, die jedem, der alt und nicht mehr up to date war, unbegreiflich sein musste.
Als sie aus New York herausfuhren und Barry einen letzten Blick auf Manhattan warf, dachte er, dass er gern zurückkommen würde, und zwar am liebsten als berühmter Musiker. Das Schaukeln des Zuges und das hasserfüllte Schlaflied, das er gerade hörte, machten ihn müde, und er döste ein, bis Hermeline an seine Tür klopfte.
Da Barry nicht reagierte, öffnete Hermeline sie einen Spaltbreit und winkte. Barry nahm seinen Kopfhörer ab. »Was gibt’s?« fragte er.
»Lon und ich gehen in den Panoramawagen, willst du mitkommen?« fragte Hermeline.
»Was gibt’s denn da?«
»Der Panoramawagen ist ungefähr fünf Wagen weiter. Da gibt es was zu essen und zu trinken, und man kann sich an einen Tisch setzen. Er hat sogar ein Glasdach, durch das man hinausgucken kann — wenn es denn was zu sehen gibt, was ich bezweifle. Wir sind schließlich noch in New Jersey.«
»Ich glaube, ich bleibe noch eine Weile hier sitzen.«
»Wie du willst«, sagte Hermeline lächelnd und schloss die Tür wieder.
Barry vertiefte sich erneut in das testosterongetriebene Geblubber von >Valid Tumor Alarm<. » I’m gonna cut you, cut you up good, cut your butt, like a nut would ...«, kreischte Art Valumord über einem abgehackten Beat.
Für eine besserwisserische Quasi-Nymphomanin ist Hermeline eigentlich voll in Ordnung, dachte Barry. Sie kümmert sich zum Beispiel darum, dass Lon seinen Spaß hat, und solche Sachen. Ich sollte ihr mal was Gutes tun, beschloss Barry und wandte sich seinem Buch zu. Es war ein Thriller, den er sich am Bahnhof gekauft hatte. So etwas las er nur, wenn er absolut nichts Besseres bekommen konnte; er fand diese Bücher immer so furchtbar unrealistisch. Ihnen fehlte jegliche Magie.
Hermeline hatte noch keine fünf Minuten aus dem Fenster geschaut und Brause getrunken, als ein Mann sie fragte, ob er sich zu ihr setzen dürfe.
»Klar«, sagte sie. Es war ein großer, dürrer Typ mit kurzgeschorenen braunen Haaren und einer gewaltigen Brille. Er hatte einen hervorstechenden Adamsapfel und so ein großes, herunterhängendes, grützbeutelartiges Muttermal an der Oberlippe, dass jeder, der sich mit ihm unterhielt, unweigerlich davon abgelenkt wurde.
»Ich heiße Joel«, sagte er.
»Hi, Joel. Ich heiße Hermeline.«
»Fahren Sie GANZ REIN nach L. A.?« fragte Joel, wobei er einige Wörter merkwürdig betonte.
»Was? Ja«, sagte Hermeline. Was ist denn das für’n Spinner?
»Oh, wie toll. L. A. ist echt SPITZe«, sagte Joel. »Die Reise ist zwar SUPERLANG und ganz schön HART, aber wenn man daBEI SCHLÄFT, geht es ganz FICKS.«
Hermeline wurde ärgerlich. »Entschuldigung, aber was wollen Sie?«
»Hab ich dich schon scharf gemacht?« fragte Joel beglückt. »Komm, lass es uns tun!«
Hermeline lachte. Der Typ war zu spiddelig, um eine Bedrohung darzustellen. »Scharf auf wen? Auf dich?« Die Ärmel seines Hemds waren mindestens eine Größe zu lang.
»Mist! Mist, Mist, Mist!« stöhnte Joel. »Ich hab tausend Dollar für ein Aufreißseminar ausgegeben, und es hat überhaupt nichts gebracht! Ich soll alles, was ich sage, mit >Sexwörtern< spicken, angeblich macht euch Frauen das scharf. Aber es funktioniert nicht! Bei keiner!« Er hämmerte mit beiden Fäusten auf die Melaminplatte vor ihnen. Doch mehr als ein leises, dumpfes Pochen kam nicht dabei heraus.
»Pass auf, hier kommt ein guter Rat von einem Mädchen aus Fleisch und Blut«, sagte Hermeline. »Vergiss die Aufreißtaktiken und lass dir dieses abscheuliche Muttermal entfernen.«
»Das kann ich nicht«, sagte er. »Ich brauche es fürs Geschäft.«
O Gott, dachte Hermeline. Diese Muddel haben doch alle einen Schaden.
»Ich bin Schriftsteller. Ich schreibe T-Shirt-Texte. Kennst du das mit dem Spruch >Weißt du, was dein Problem ist«
»Nein«, sagte Hermeline und bemühte sich, so desinteressiert wie möglich zu klingen.
»Darunter ist ’ne Karikatur von ’nem Typen, der ein
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