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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Unterschied zu einem Goldfisch besaß ich jedoch ein gutes Gedächtnis. Ich erinnerte mich daran, was nach meinem Ausbruch aus Sholtos Laden passiert war. Das silberne Netz, in dem ich mich verheddert hatte, die rot glühenden Hufe des Afriten, unter denen die Bürgersteigplatten geschmolzen waren, der Geruch nach Rosmarin und Knoblauch, der mir wie die Würgehand eines Mörders so lange die Luft nahm, bis mir schließlich die Sinne schwanden. Was für eine Schmach! Ich, Bartimäus, in aller Öffentlichkeit außer Gefecht gesetzt! Aber ärgern konnte ich mich später immer noch. Jetzt galt es, einen kühlen Kopf zu bewahren und auf einen Ausweg zu sinnen.
    Der Raum machte einen ziemlich altertümlichen Eindruck. Die Wände bestanden aus grauen Steinquadern, die Decke aus dicken Holzbalken. Durch das einzige, weit oben angebrachte Fenster fiel ein schwacher, kränklicher Lichtstrahl herein, der es durch die tanzenden Staubflocken kaum bis zum Boden schaffte. Das Fenster war mit einem magischen Gitter ähnlich dem meines Gefängnisses gesichert. Es gab noch mehr Steinsockel außer meinem. Die meisten waren leer, nur auf einem lag eine kleine, feste, blau leuchtende Kugel. Ich bildete mir ein, darin eingezwängt ein verrenktes Etwas zu erkennen.
    Türen gab es keine, aber das hatte nicht viel zu bedeuten. In von Zauberern eingerichteten Gefängnissen waren Portale, die sich nur bei Bedarf öffneten, nicht unüblich. Es war unmöglich, den Raum zu betreten oder zu verlassen, es sei denn durch Tore, die von zuverlässigen Zauberer-Wächtern kontrolliert wurden. An ihnen vorbeizukommen, würde schwierig und unangenehm werden, selbst wenn es mir gelingen sollte, meiner Gefängnisglocke zu entkommen.
    Die beiden Aufseher machten die Sache auch nicht einfacher.
    Es handelte sich um zwei hoch gewachsene Utukku, 59
(Eine Sorte Dschinn, die wegen ihrer Beschränktheit und Gewalttätigkeit von den assyrischen Magiern bevorzugt eingesetzt wurde. Ich persönlich hatte zum ersten Mal in der Schlacht von Al Arish mit ihnen zu tun, als der Pharao die assyrischen Truppen aus Ägypten vertrieb. Die Utukku sahen klasse aus – vier Meter groß, Köpfe von Raubvögeln und anderen wilden Tieren, Brustpanzer aus Bergkristall und geschliffene Krummsäbel, aber man konnte sie einen wie den anderen mit dem uralten »Hinter dir steht einer«-Trick ins Bockshorn jagen. Hier ein bewährtes Rezept: 1. Man nehme einen Stein. 2. Man werfe den Stein mit einem lauten Plumps hinter einen Utukku. 3. Man sehe zu, wie der Utukku mit vorquellenden Augen herumfährt. 4. Man ramme ihm mit Schmackes eine Klinge in den Rücken. 5. Schadenfreude nach Belieben. Seltsamerweise haben mir meine Heldentaten an jenem Tag unter den überlebenden Utukku etliche Feinde eingebracht. )
die mit schweren Schritten auf-und abmarschierten. Der eine hatte den Kopf eines Wüstenadlers, komplett mit grausam gebogenem Schnabel und aufgeplusterter Federhaube, der andere einen Stierkopf, aus dessen Nüstern in der Kälte Dampfwölkchen quollen. Beide gingen wie Menschen auf kräftigen Beinen aufrecht und hielten Lanzen mit silbernen Spitzen in den von dicken Adern überzogenen Pranken. Auf ihren muskulösen Rücken lagen zusammengefaltet große, gefiederte Schwingen. Ihre Augen ruhten keinen Moment und überwachten jeden Quadratzentimeter mit dumpfen, bösartigen Blicken.
    Mir entwich ein leiser, mädchenhafter Seufzer. Meine Lage war in der Tat nicht sonderlich ermutigend.
    Doch ich gab mich noch nicht geschlagen. Nach den beeindruckenden Ausmaßen der Zelle zu urteilen, befand ich mich vermutlich im Gewahrsam der Regierung, aber ich wollte ganz sichergehen. Daher musste ich meinen Bewachern zunächst so viele Informationen wie möglich aus der Nase ziehen. 60
(Mit viel Wissenswertem war allerdings nicht zu rechnen. Über den Daumen gepeilt, kann man die Intelligenz eines Dschinn nach der Anzahl der Erscheinungsformen beurteilen, in der er oder sie am liebsten auftritt. Wer wie ich was auf dem Kasten hat, dem steht eine unbegrenzte Auswahl an Erscheinungsformen zur Verfügung – je mehr, desto besser. Auf diese Weise wird unser Dasein ein bisschen abwechslungsreicher. Im Gegensatz dazu bevorzugen richtige Vollidioten (z.B. Jabor, Utukku etc.) nur eine einzige Gestalt, noch dazu meistens eine, die seit Jahrtausenden aus der Mode ist. Die Erscheinungsformen, für die sich diese beiden Utukku entschieden hatten, waren ungefähr 700 v. Chr. in Ninive angesagt. Wer läuft denn

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