Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand
starrten ihm mit offenen Mündern nach.
»Was für ein arroganter…« Der schwarzbärtige Zauberer unterbrach sich mit verächtlichem Schnauben. »Man sollte nicht glauben, dass er bloß stellvertretender Handelsminister ist. Eines schönen Tages wird ihm mal ein Afrit auflauern… Also, ich gehe jetzt nach Hause, aber wenn Sie unbedingt noch hier bleiben wollen…«
Er stapfte davon und einer nach dem anderen folgte ihm. Mr Underwood sammelte schweigend seine Frau ein, die gerade angeregt ihre Blessuren mit denen eines Ehepaares aus dem Außenministerium verglich, und sie verließen mit Nathanael im Schlepptau die verwüstete Westminster Hall.
»Ich kann nur hoffen«, sagte sein Meister, »dass nach dieser Geschichte endlich mein Budget erhöht wird. Was erwarten die denn? Von einer mickrigen Abteilung mit sechs Zauberern! Ich kann schließlich keine Wunder vollbringen!«
Auf der Rückfahrt lastete zuerst dumpfes Schweigen über den dreien im Wagen – und der Geruch nach versengtem Bart. Als sie jedoch die Innenstadt hinter sich gelassen hatten, wurde Underwood plötzlich gesprächig. Ihm schien etwas im Kopf herumzugehen.
»Es ist doch nicht deine Schuld, mein Lieber«, sagte Mrs Underwood tröstend.
»Natürlich nicht. Aber man wird sie mir in die Schuhe schieben! Du hast es ja gehört, Junge – man hat mir die Verantwortung für die vielen Diebstähle zur Last gelegt!«
Nathanael wagte eine seiner seltenen Fragen: »Was für Diebstähle, Sir?«
Underwood schlug verärgert auf das Steuerrad. »Natürlich die vom so genannten Widerstand verübten! Es geht um magische Gegenstände, die unvorsichtigen Zauberern in ganz London gestohlen wurden, Gegenstände wie diese Elementenkugel zum Beispiel. Wenn ich mich recht entsinne, wurden im Januar tatsächlich einige Elementen-kugeln aus einem Lagerhaus entwendet. In den letzten Jahren hat diese Art Diebstähle ständig zugenommen – und ausgerechnet ich soll dagegen vorgehen. Mit einer Abteilung von nur sechs Leuten!«
Nathanael fasste Mut und beugte sich auf dem Rücksitz vor. »Entschuldigung, Sir, aber wer ist eigentlich dieser ›Widerstand‹?«
Underwood fuhr zu schnell um eine Kurve und konnte nur knapp einer älteren Dame ausweichen, die vor Schreck in den Rinnstein hüpfte, als er auf die Hupe einhämmerte. »Ein Haufen Verräter, die es nicht ertragen, dass wir hier das Sagen haben«, knurrte er. »Als hätten nicht wir diesem Land erst zu Wohlstand und Ansehen verholfen. Wer alles dazugehört, weiß man nicht genau, aber sehr viele können es nicht sein. Eine Hand voll Gewöhnliche, die auf ihren heimlichen Treffen neue Anhänger werben, ein paar schwachsinnige Unruhestifter, die sich über die Magie und das, was sie ihnen Gutes tut, ärgern.«
»Es sind also keine Zauberer, Sir?«
»Natürlich nicht, du Dummkopf, das ist doch gerade der springende Punkt! Es sind stinknormale Leute. Sie verabscheuen uns und alles, was mit Magie zu tun hat, und wollen die Regierung stürzen! Als ob so was überhaupt möglich wäre!« Er raste über eine rote Ampel und wedelte ungeduldig mit dem Arm aus dem Fenster, als sich ein paar Fußgänger mit einem Satz auf den Bürgersteig in Sicherheit brachten.
»Aber warum stehlen sie dann magische Gegenstände, Sir? Ich meine, wenn sie Magie doch verabscheuen.«
»Wer weiß schon, was in ihren kranken Köpfen vor sich geht? Schließlich sind es bloß Gewöhnliche. Wahrscheinlich bilden sie sich ein, damit unsere Macht zu schwächen – als könnte uns der Verlust von ein paar Gegenständen ernsthaft erschüttern! Allerdings können manche Gegenstände sogar von Nichtmagiern benutzt werden, wie du heute gesehen hast. Gut möglich, dass sie für einen künftigen Angriff Waffen horten, vielleicht im Auftrag einer fremden Regierung… Das wissen wir erst, wenn wir sie erwischt und ausradiert haben.«
»Und das heute war ihr erster richtiger Angriff, Sir?«
»Der erste in dieser Größenordnung. Es hat schon vorher ein paar lächerliche Zwischenfälle gegeben… Maulergläser, die auf Staatslimousinen geworfen wurden, solche Sachen eben. Auch Zauberer wurden dabei verletzt. In einem Fall ist ein Fahrer verunglückt, und während er noch bewusstlos war, wurde ihm die Aktentasche mit mehreren magischen Gegenständen aus dem Wagen gestohlen… Das war für den Trottel natürlich äußerst peinlich. Aber heute ist die Widerstandsbewegung endgültig zu weit gegangen. Du hast gesagt, der Attentäter war noch jung?«
»Ja,
Weitere Kostenlose Bücher