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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Es waren beides Menschen, doch sie waren so verschieden, dass man kaum glauben mochte, dass sie ein und derselben Spezies angehörten.
    Der eine war Sholto.
    Er war so beleibt wie immer, humpelte jedoch schwer, als bereitete ihm jede Bewegung große Schmerzen. Zudem stellte ich erfreut fest, dass er den Plasma verschießenden Spazierstock gegen ein Paar gewöhnliche Krücken eingetauscht hatte. Sein Gesicht sah aus, als hätte sich ein Elefant darauf gesetzt, und sein Monokel war provisorisch mit Klebeband repariert. Das eine Auge war blau und zugeschwollen. Ich gestattete mir ein Lächeln. Sogar in meiner misslichen Lage gab es noch ein paar Lichtblicke.
    Neben Sholtos lädierter Leibesfülle wirkte die Frau neben ihm noch hagerer, als sie tatsächlich war. Sie ging gebeugt wie ein fischender Reiher, trug ein graues Oberteil und einen langen schwarzen Rock, ihr glattes weißes Haar war hinter den Ohren radikal kurz geschoren. Ihr Gesicht bestand nur aus Wangenknochen und Augen und war völlig farblos – sogar ihre Augen sahen wie zwei stumpfe regengraue Murmeln aus. Knochige Finger mit langen Nägeln ragten wie Skalpelle aus ihren gerüschten Manschetten. Sie strahlte bedrohliche Macht aus. Als sie an den Utukku vorüberschritt, schlugen die beiden die Hacken zusammen und salutierten, dann schnipste die Frau mit den spitzen Fingernägeln und das Portal verschwand wieder.
    Aus meiner Glocke heraus beobachtete ich, wie die beiden näher kamen – dick und dünn, humpelnd und gebeugt. Die ganze Zeit ließ mich Sholto nicht aus dem guten Auge hinter dem Monokel.
    Ein paar Meter vor mir blieben sie stehen. Die Frau schnippte abermals mit den Fingern, und zu meinem leisen Erstaunen erhoben sich die Steinfliesen, auf denen die beiden standen, in die Luft. Die darunter gefangenen Kobolde ließen beim Stemmen ihrer Last gelegentlich ein Ächzen vernehmen, ansonsten ging die Aktion reibungslos und ohne größeres Gewackel vonstatten. Dann hielten die Steinplatten an und die beiden Zauberer betrachteten mich nunmehr aus gleicher Höhe. Ungerührt erwiderte ich ihre Blicke.
    »Na, endlich aufgewacht?«, sagte die Frau. Ihre Stimme klang wie Glasscherben in einem Eiskübel. 61
(Überraschend schneidend. Und eisig. Mir soll niemand nachsagen, dass ich mir keine Mühe gebe, alles schön anschaulich zu schildern)
»Gut. Dann kannst du uns ja vielleicht behilflich sein. Erstens: Wie heißt du? Ich spreche dich gar nicht erst mit Bodmin an. Wir haben alles überprüft und wissen, dass das bloß ein Deckname ist. Der einzige Dschinn dieses Namens ist im Dreißigjährigen Krieg umgekommen.«
    Ich zuckte die Achseln und schwieg.
    »Wir möchten wissen, wie du heißt, was du in Mr Pinns Laden zu suchen hattest und was du uns alles über das Amulett von Samarkand sagen kannst. Und vor allem wollen wir wissen, wer dein Herr und Meister ist.«
    Ich strich mir wieder das Haar aus dem Gesicht. Dann ließ ich den Blick gelangweilt durch den Raum schweifen.
    Die Frau wurde weder wütend noch ungeduldig, auch ihr Ton blieb gelassen. »Sei vernünftig«, fuhr sie fort. »Du kannst es uns jetzt gleich sagen oder später, das hängt ganz von dir ab. Mr Pinn glaubt übrigens nicht, dass du Vernunft annimmst. Nur deshalb ist er mitgekommen. Er möchte dich leiden sehen.«
    Ich zwinkerte dem übel zugerichteten Sholto zu. »Na, los doch«, forderte ich ihn mit gespielter Keckheit auf, »zwinkern Sie zurück. Eine gute Übung für zugeschwollene Augen.« Der Zauberer bleckte die Zähne, ging aber nicht darauf ein.
    Die Frau machte eine Handbewegung und ihre Steinfliese glitt näher. »Ich an deiner Stelle wäre lieber nicht so unverschämt, Dämon. Nur zu deiner Information: Wir befinden uns hier im Tower von London, wo man alle Feinde der Regierung einsperrt und bestraft. Vielleicht hast du schon mal davon gehört? Seit 150 Jahren sind alle möglichen Zauberer und Geister hier gelandet, und keiner von ihnen ist je wieder herausgekommen, es sei denn mit unserer Erlaubnis. Diese Zelle ist durch einen dreifachen Schließzauber gesichert. Zwischen den einzelnen Bannriegeln wachen ganze Bataillone von Horla und Utukku, die pausenlos patrouillieren. Doch um dich ihnen auch nur zu nähern, müsstest du deine Glocke verlassen und das ist unmöglich. Du befindest dich nämlich in einer Büßerglocke. Wenn du sie berührst, zerreißt deine Substanz. Auf meinen Befehl«– sie sprach ein Wort und die Kraftadern schienen zu pulsieren und anzuschwellen

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