Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
der Schwelle stand ein kleiner, rundlicher Herr und blinzelte in das helle Licht, das aus Nathanaels Büro fiel. Er trug einen grellgrünen Samtanzug, weiße Gamaschen, eine zartlilafarbene Pelerine sowie einen kleinen Wildlederhut. Als er Nathanaels verdutztes Gesicht sah, strahlte er über beide Backen.
    »Hallo, Mandrake, mein Junge. Darf ich hereinkommen? Ziemlich frisch hier draußen.«
    »Mr Makepeace! Äh, ja… kommen Sie doch rein, Sir.«
    »Vielen Dank, mein Junge, vielen Dank.« Zwei flinke Schrittchen und Quentin Makepeace stand im warmen Büro. Er nahm den Hut ab und ließ ihn quer durchs Zimmer segeln, sodass er auf dem Haupt der Gladstonebüste landete. Er zwinkerte Nathanael zu. »Von dem haben wir so oder so erst mal genug, stimmt’s?« Er lachte über den kleinen Scherz und zwängte sich in einen Sessel.
    »Das ist ja eine freudige Überraschung, Sir.« Nathanael wusste nicht recht, was er davon halten sollte, und blieb stehen. »Darf ich Ihnen etwas anbieten?«
    »Nein, nein, Mandrake. Setzen Sie sich, setzen Sie sich. Ich bin nur auf ein kleinen Schwatz vorbeigekommen.« Wieder lächelte er Nathanael strahlend an. »Ich hoffe, ich störe Sie nicht bei der Arbeit.«
    »O nein, Sir, ich wollte eben nach Hause gehen.«
    »Schön, schön. ›Schlaf ist lebenswichtig und doch ein seltenes Gut‹, wie der Sultan im Badehaus sagt… damit meine ich natürlich die dritte Szene im zweiten Akt von Mein Mädel aus dem Morgenland. Haben Sie’s gesehen?«
    »Leider nein, Sir, ich war noch zu jung. Mein ehemaliger Meister, Mr Underwood, war kein großer Theatergänger.«
    »Was für eine himmelschreiende Schande!« Mr Makepeace wiegte betrübt den Kopf. »Umso erstaunlicher, dass trotz einer so unzulänglichen Ausbildung so ein vielversprechender junger Mann aus Ihnen geworden ist.«
    »Die Schwäne von Arabien habe ich selbstverständlich gesehen, Sir«, beeilte sich Nathanael zu versichern. »Ein wundervolles Stück. Sehr ergreifend.«
    »Mhmm. Manche Kritiker haben es mein Meisterwerk genannt, aber ich bin zuversichtlich, dass ich mich mit meinem nächsten Stücklein selbst übertreffe. Ich habe mich nämlich von den Ereignissen in Amerika anregen lassen und mich diesmal mit dem Wilden Westen befasst. Ein Landstrich voller Rätsel und Geheimnisse. Der Arbeitstitel lautet Petticoats und Pistolen und es geht um ein naives Mädel aus der Prärie…« Beim Sprechen vollführte Mr Makepeace etliche komplizierte Gebärden, worauf aus seinen geöffneten Händen orangefarbene Funken aufstoben und sich überall im Zimmer verteilten. Erst als sich alle Funken irgendwo niedergelassen hatten, unterbrach sich der Bühnenautor und zwinkerte Nathanael zu. »Sie wissen, was ich da eben getan habe, mein Junge?«
    »Sie haben ein Sensorennetz eingerichtet, Sir. Um ungebetene Lauscher zu entlarven.«
    »So ist es, aber im Moment ist noch alles ruhig. Schön. Ich bin natürlich nicht gekommen, um mit Ihnen über mein neuestes Werk zu plaudern, so spannend das auch sein mag. Ich wollte Ihnen vielmehr, da
    Sie so ein begabter junger Mann sind, einen Vorschlag unterbreiten.«
    »Ich fühle mich geehrt, Sir.«
    »Es versteht sich von selbst«, fuhr Mr Makepeace fort, »dass wir den Gegenstand dieser kleinen Unterredung für uns behalten. Käme auch nur ein Wort davon jemand anderem zu Ohren, könnte das uns beiden sehr schaden. Man sagt Ihnen nach, Mandrake, Sie seien ebenso intelligent wie jung, deshalb verlasse ich mich da ganz auf Sie.«
    »Gewiss, Sir.« Nathanael setzte eine höfliche, aufmerksame Miene auf. Hinter dieser Maske schwirrte ihm der Kopf, auch wenn er sich geschmeichelt fühlte. Weshalb ihn der Bühnenautor ausgerechnet heute in einer derart vertraulichen Angelegenheit sprechen wollte, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Jeder wusste, dass Mr Makepeace ein enger Freund des Premierministers war, aber Nathanael wäre nie auf die Idee gekommen, dass der Dichter selbst ein kompetenter Zauberer war. Im Gegenteil, nachdem er einige seiner Stücke gesehen hatte, hatte er das eigentlich ausgeschlossen, denn insgeheim hielt er sie für schauderhafte Schmachtfetzen.
    »Zunächst einmal darf ich Ihnen herzlich zu Ihrem Erfolg gratulieren«, sagte Mr Makepeace. »Der abtrünnige Afrit ist beseitigt, und soweit ich weiß, hat Ihr Dschinn dabei eine wichtige Rolle gespielt. Mein Kompliment! Seien Sie versichert, dass der PM sehr wohl darüber informiert ist. Genau deshalb habe ich Sie heute Abend aufgesucht.

Weitere Kostenlose Bücher