Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
Zeit zum Atemholen. »Ich verachte Sie und die ganzen anderen Zauberer! Ihr schert euch einen Dreck um Leute wie uns! Wir sind doch bloß dazu da, um… um euch zu ernähren, eure Fußböden zu schrubben und eure Klamotten zu schneidern! Wir rackern uns in euren Fabriken und Werkstätten ab, während ihr und eure Dämonen es euch gut gehen lasst! Und wenn wir euch mal in die Quere kommen, geht’s uns schlecht! So wie Jakob! Das ganze Zauberergesocks ist ein herzloser, bösartiger, eitler Haufen!«
    »Eitel?« Der Junge zupfte sein Einstecktuch zurecht. »Das ist ja köstlich! Da übertreiben Sie aber, meine Liebe. Ich bin einfach nur gut gekleidet. Ein gepflegtes Äußeres ist wichtig, wissen Sie.«
    »Ihnen ist überhaupt nichts wichtig– lass mich los, Mama!« Vor Empörung war Kitty aufgesprungen. Ihre Mutter schlang ihr außer sich vor Sorge die Arme um die Taille. Kitty schubste sie weg. »Und was Ihr Äußeres betrifft, darf ich Ihnen vielleicht einen kleinen Rat geben: Ihre Hose ist viel zu eng!«
    »Tatsächlich?« Auch der Junge mit seinem wallenden Mantel war aufgestanden. »Das reicht jetzt. Im Tower von London haben Sie demnächst hinreichend Gelegenheit, Ihre Ansichten in Modefragen in aller Ruhe zu überdenken.«
    »Nein!« Kittys Mutter warf sich ihm flehend zu Füßen. »Bitte, Mr Mandrake…«
    Kittys Vater stand gebeugt da wie ein alter Mann. »Können wir denn gar nichts tun?«
    Der Zauberer schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, Ihre Tochter ist Ihnen längst entglitten. Ich bedauere das um Ihretwillen, denn Sie waren beide stets staatstreue Bürger.«
    »Eigensinnig war sie schon immer«, sagte Kittys Vater leise, »aber ich habe nicht geahnt, dass sie so durchtrieben ist. Die Sache mit Jakob Hyrnek hätte uns zu denken geben müssen, aber Iris und ich haben es nur gut gemeint. Und jetzt, da unsere Truppen nach Amerika unterwegs sind und unser Land bedroht wird wie noch nie, stellt sich heraus, dass unsere eigene Tochter eine Verräterin und Schwerverbrecherin ist… Ich bin erschüttert, Mr Mandrake, ich bin zutiefst erschüttert. Ich habe immer versucht, sie im rechten Geist zu erziehen.«
    »Gewiss, gewiss«, erwiderte der Zauberer ungeduldig. »Trotzdem…«
    »Ich habe sie zu Paraden mitgenommen, wir haben uns an Feiertagen die Truppenaufmärsche angeschaut. Ich habe sie am Reichsfeiertag Huckepack getragen, als die Bevölkerung dem Premierminister am Trafalgar Square eine geschlagene Stunde zugejubelt hat. Sie sind noch jung, Mr Mandrake, und erinnern sich wahrscheinlich nicht daran, aber es war ein erhebendes Erlebnis. Und auf einmal ist meine kleine Tochter verschwunden, und vor mir steht ein mürrisches, durchtriebenes Gör, das vor nichts und niemandem mehr Achtung hat, weder vor den eigenen Eltern noch vor der Obrigkeit… und vor ihrem Land auch nicht«, endete er stockend.
    »Du bist echt ein Trottel, Papa«, sagte Kitty.
    Ihre Mutter lag noch immer am Boden und bettelte den Zauberer an: »Bitte nicht in den Tower, Mr Mandrake, bitte nicht!«
    »Es tut mir Leid, Mrs Jones, aber…«
    »Ist schon gut, Mama, du kannst wieder aufstehen.« Kitty hielt mit ihrer Verachtung nicht hinterm Berg. »Er steckt mich schon nicht in den Tower. Ich wüsste nicht, wie er das anstellen will.«
    »Ach nein?«, fragte der Junge belustigt. »Ehrlich nicht?«
    Kitty ließ den Blick über das Zimmer wandern. »Offenbar sind Sie allein gekommen.«
    Ein leises Lächeln. »Das sieht nur so aus. Um die Ecke wartet mein Dienstwagen. Kommen Sie freiwillig mit?«
    »Nein, ich komme nicht freiwillig mit, Mr Mandrake!« Kitty sprang ihn an und versetzte ihm einen Fausthieb. Es krachte dumpf, als sie ihn am Wangenknochen traf; er kippte rücklings in den Sessel. Kitty stieg über ihre am Boden liegende Mutter und lief zur Tür, da packte sie jemand mit eisernem Griff an der Schulter. Ihr Vater sah sie mit weißem Gesicht ausdruckslos an.
    »Lass los, Papa!« Sie zerrte ihn am Ärmel, aber sein Griff war wie ein Schraubstock.
    »Was hast du getan?« Er betrachtete sie voller Abscheu, als wäre sie ein Ungeheuer. »Was hast du getan?«
    »Papa… Lass mich einfach gehen. Bitte, lass mich einfach gehen!«
    Kitty sträubte und wand sich, doch der Vater packte sie nur noch fester. Vom Boden streckte ihre Mutter halbherzig die Hand aus und umklammerte ihr Bein, als sei sie noch unschlüssig, ob sie an die Vernunft ihrer Tochter appellieren oder sie ebenfalls festhalten wollte. Drüben im Sessel schüttelte sich der

Weitere Kostenlose Bücher