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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Finsternis hüllt, der es vor den Blicken von Geistern, Mensch und Tier verbirgt, auf dieser und auf allen anderen Ebenen? Willst du das allen Ernstes wissen?«
    Nathanael wurde es ganz flau im Magen. »Ja… schon.«
    »Kein Problem. Es ist ein Golem.«
    Miss Whitwell schnappte leise nach Luft, Tallow und Duvall schnaubten verächtlich. Nathanael ließ sich entsetzt in den Sessel fallen. »Ein… ein Golem?«
    Der Panter leckte seine Pfote an und glättete sich die Augenbraue. »So wahr ich hier sitze, Kumpel.«
    »Bist du ganz sicher?«
    »Ein riesiger Mensch aus zum Leben erweckten Lehm, hart wie Stein, gefeit gegen jeden Angriff und so stark, dass er Mauern einreißt. Hüllt sich in Dunkelheit und verströmt den Geruch von Erde. Seine Berührung bringt allen Luft-und Feuerwesen wie mir den Tod… verbrennt unsere Substanz im Handumdrehen zu einem schwelenden Aschehäufchen. Doch, ich würde sagen, da bin ich ziemlich sicher.«
    Miss Whitwell machte eine wegwerfende Handbewegung. »Vielleicht hast du dich trotzdem geirrt, Dämon.«
    Der Panter blickte sie aus gelben Augen an. Einen entsetzlichen Augenblick fürchtete Nathanael, er wollte ausfällig werden, aber falls dem so war, überlegte er es sich offenbar anders. Er verneigte sich. »Das wäre schon möglich, Madam, aber ich habe während meines Aufenthalts in Prag genug Golems gesehen.«
    »In Prag, das kann sein! Aber das ist viele hundert Jahre her.« Jetzt mischte sich auch Mr Duvall wieder ein. Ihm schien zu missfallen, welche Richtung das Gespräch nahm. »Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reichs sind sie ausgestorben. Der letzte urkundlich belegte Einsatz gegen unsere Truppen war zu Gladstones Zeit. Damals haben sie am Fuß der Burgmauern eins unserer Bataillone in die Moldau getrieben, aber man hat die Zauberer, die sie befehligten, ausfindig gemacht und getötet, und daraufhin sind die Golems auf der Steinernen Brücke zu Staub zerfallen. So steht es in den alten Chroniken.«
    Der Panter verneigte sich abermals. »Das mag wohl alles wahr sein, Sir.«
    Mr Duvall schlug mit der Faust auf die Armlehne. »Es ist wahr! Seit dem Untergang des tschechischen Kaiserreichs wurden keine Golems mehr gesichtet. Die Zauberer, die zu uns übergelaufen sind, haben das Geheimwissen, wie man einen Golem erschafft, nicht überliefert, und jene, die in Prag geblieben sind, waren nur noch ein Abklatsch ihrer Vorgänger, kleine Amateurzauberer. Folglich ist dieses Wissen verloren gegangen.«
    »Offenbar nicht ganz.« Der Dschinn zuckte mit dem Schwanz. »Der Golem, mit dem ich es zu tun hatte, wurde von jemandem gelenkt. Er oder sie hat alles durch ein Auge in der Stirn des Ungeheuers verfolgt. Als sich die schwarze Wolke kurz lichtete, habe ich es aufblitzen sehen.«
    »Pah!« Mr Duvall war nicht überzeugt. »Das sind doch alles Hirngespinste! Der Dämon lügt!«
    Nathanael schielte zu seiner Meisterin hinüber. Die runzelte skeptisch die Stirn. »Bartimäus«, sagte er, »ich befehle dir, sprich die Wahrheit! Kann es an dem, was du gesehen hast, irgendeinen Zweifel geben?«
    Die gelben Augen blinzelten träge. »Nein. Vor vierhundert Jahren wurde ich Zeuge des Treibens des allerersten Golem, den der berühmte Zauberer Löw im Prager Getto heimlich erschuf. Er sandte ihn aus seinem hinter Laken und Spinnweben verborgenen Dachstübchen in die Welt hinaus, auf dass er die Feinde seines Volkes in Angst und Schrecken versetze. Der Golem war selbst ein magisches Geschöpf, aber es wandte sich gegen uns Dschinn. Es bediente sich des Elements der Erde, die uns erdrückt. In seiner Nähe versagten unsere Bannflüche, es machte uns blind und schwach, es zerschmetterte uns. Das Geschöpf, mit dem ich letzte Nacht gekämpft habe, war von derselben Art. Es hat meine Kollegin getötet. Ich lüge nicht.«
    »Ich sitze nur deshalb noch hier, weil ich nicht jede Dämonenschwindelei geglaubt habe, die man mir im Lauf meines Lebens aufgetischt hat. Das ist eine dreiste Lüge! Er will bloß seinen Herrn in Schutz nehmen!«, brauste Duvall auf, schleuderte sein Glas weg, erhob sich und schaute wütend in die Runde. »Aber ob Golem oder nicht, das spielt keine große Rolle. Es ist offenkundig, dass die Innere die Situation nicht mehr im Griff hat. Wir werden ja sehen, ob meine Leute besser damit zurande kommen. Ich ersuche den Premierminister sofort um eine Unterredung. Guten Tag allerseits.«
    Er stapfte mit steifem Rücken und quietschenden Lederstiefeln zur Tür. Niemand sagte ein

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