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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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alles unter sich.

Nathanael
17
    Der kleine Mann lächelte entschuldigend. »Wir haben fast den ganzen Schutt abgetragen, Madam, und bis jetzt noch nichts gefunden.«
    Jessica Whitwells Stimme war kalt und unbewegt: »Nichts, Shubit? Das kann nicht sein, das weißt du selber. Ich glaube eher, da will sich jemand drücken.«
    »In aller Bescheidenheit, Madam, das glaube ich nicht.« Es wirkte tatsächlich sehr bescheiden, wie er mit eingeknickten O-Beinen und gesenktem Kopf dastand und verlegen seine Mütze zerknautschte. Einzig die Tatsache, dass er in einem Pentagramm stand, verriet seine Dämonennatur. Das und sein linker Fuß… denn aus dem Hosenbein lugte die wuschelige Hinterpfote eines Schwarzbären hervor, die er entweder versehentlich oder aus einer Laune heraus zu verwandeln versäumt hatte.
    Nathanael betrachtete den Dschinn mit finsteren Blicken und legte dabei die Fingerspitzen aneinander, wodurch er einen zugleich intelligenten und ironischen Eindruck zu machen gedachte. Er saß in einem grünen, hochlehnigen Ledersessel, wovon etliche in einem geschmackvollen Kreis rings um das Pentagramm aufgestellt waren. Er ahmte absichtlich Miss Whitwells Haltung nach, saß wie sie kerzengerade mit übergeschlagenen Beinen und den Unterarmen auf den Armlehnen da und hoffte, ebenfalls unerschütterliche Gelassenheit auszustrahlen. Dabei hatte er das unangenehme Gefühl, dass diese Pose seine Panik nicht einmal ansatzweise überspielte. Er sprach so ruhig wie möglich: »Du musst jeden Stein dreimal umdrehen. Mein Dämon muss irgendwo da drunter sein.«
    Der kleine Mann warf ihm aus hellgrünen Augen einen flüchtigen Blick zu, ansonsten beachtete er ihn nicht weiter. Jessica Whitwell ergriff wieder das Wort: »Dein Dämon kann genauso gut vernichtet worden sein, John«, sagte sie.
    »Dann hätte ich seinen Verlust bestimmt gespürt, Madam«, widersprach Nathanael höflich.
    »Oder er hat sich seinem Auftrag entzogen.« Das war Henry Duvalls polternde Stimme. Der bullige Polizeichef saß Nathanael in einem schwarzen Sessel gegenüber, den er ganz ausfüllte, und trommelte ungeduldig auf die Armlehnen. Seine schwarzen Augen funkelten. »So was soll bei allzu ehrgeizigen Lehrlingen öfters vorkommen.«
    Nathanael war nicht so dumm, auf diesen Seitenhieb einzugehen, und schwieg.
    Miss Whitwell wandte sich noch einmal an ihren Diener: »Mein Gehilfe hat Recht, Shubit«, sagte sie. »Du musst den Schutthaufen noch einmal durchsuchen. Sofort!«
    »Euer Wunsch ist mir Befehl, Madam.« Der Dämon verneigte sich und verschwand.
    Einen Augenblick herrschte Stille. Nathanaels Miene war gefasst, aber innerlich war er in Aufruhr. Seine Laufbahn und womöglich sein Leben standen auf dem Spiel und Bartimäus war nicht aufzufinden! Er hatte sich ganz und gar auf seinen Diener verlassen, was die übrigen Anwesenden, nach ihren Mienen zu schließen, für einen großen Fehler hielten. Er blickte in die Runde, las Gier und Genugtuung in Duvalls Augen, mitleidlose Missbilligung in denen seiner Meisterin und heimliche Hoffnung in den Augen von Mr Tallow, der in seinem Sessel beinahe versank. Der Leiter der Abteilung für Innere Angelegenheiten hatte sich den ganzen Abend immer wieder von der ganzen Überwachungsidee distanziert und eine Kritik nach der anderen auf Nathanaels Haupt gehäuft. So richtig konnte es ihm der Junge nicht verdenken. Erst Pinns Laden, dann die National Gallery und jetzt zu allem Überfluss auch noch das British Museum. Die Abteilung für Innere Angelegenheiten saß arg in der Klemme und der ehrgeizige Polizeichef bereits in den Startlöchern. Kaum war das Ausmaß der Verwüstung im Museum bekannt geworden, hatte Mr Duvall auch schon darauf bestanden, der Aufräumaktion beizuwohnen, und die Arbeiten mit schlecht verhohlener Schadenfreude beaufsichtigt.
    »Nun…«, Mr Duvall klatschte sich auf die Knie und machte Anstalten aufzustehen, »…ich glaube, wir haben genug Zeit verplempert, Jessica. Wenn ich die Ausführungen der Kollegen aus der Abteilung für Inneres noch einmal zusammenfassen darf, bleibt unterm Strich, dass ein ganzer Flügel des British Museum samt hunderten von Ausstellungsstücken nur noch ein Schutthaufen ist. Durchs Erdgeschoss zieht sich eine Spur der Verwüstung, mehrere unersetzliche Skulpturen sind zertrümmert oder zerbrochen und der Stein von Rosette ist nur noch ein Häufchen Brösel. Weder wissen wir, wer der Täter war, noch besteht Aussicht, ihn zu überführen. Der Widerstand macht

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