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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Wort.
    Die Tür fiel zu. Miss Whitwell blieb stumm. Im grellen Neonlicht wirkte sie noch leichenhafter als sonst. Nachdenklich strich sie sich das spitze Kinn, wobei die langen Nägel ein leises Kratzgeräusch verursachten. »Wir sollten die Sache überdenken«, sagte sie schließlich. »Falls der Dämon die Wahrheit spricht, sind das wertvolle Informationen. Aber Duvall hat nicht ganz Unrecht, misstrauisch zu sein, auch wenn seine Kritik dem Wunsch entspringt, unsere Leistung zu schmälern. Einen Golem zu erschaffen, ist ein schwieriges Unterfangen, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Was wissen Sie darüber, Tallow?«
    Der Beamte schürzte die Lippen. »Zum Glück sehr wenig, Madam. Es handelt sich um eine primitive Magie, die in unserer aufgeklärten Gesellschaft niemals praktiziert wurde. Ich habe mir nie die Mühe gemacht, mich damit zu beschäftigen.«
    »Und du, Mandrake?«
    Nathanael räusperte sich. Fragen des Allgemeinwissens waren ganz nach seinem Geschmack. »Dazu benötigt ein Zauberer zwei zauberkräftige Gegenstände, Madam«, sagte er strahlend, »mit jeweils unterschiedlicher Funktion. Erstens ein Pergament, auf dem der Bannspruch geschrieben steht, mit dem man den Golem zum Leben erweckt. Man modelliert aus Flusslehm eine Figur und steckt ihr das Pergament in den Mund, um sie zu beleben.«
    Seine Meisterin nickte. »Richtig. Dieser geheime Bannspruch soll verloren gegangen sein. Die tschechischen Zauberer haben ihn nie schriftlich festgehalten.«
    »Zweitens braucht man ein besonderes Stück Lehm«, fuhr Nathanael fort, »zu dessen Herstellung es mehrerer Bannsprüche bedarf. Es wird auf der Stirn des Ungeheuers angebracht und darin konzentriert sich seine Kraft. Der Zauberer kann es als Auge benutzen, genau wie Bartimäus es beschrieben hat. Er oder sie kann das Geschöpf dann mithilfe einer ganz gewöhnlichen Kristallkugel fernsteuern.«
    »Korrekt. Angenommen, dein Dämon spricht die Wahrheit, dann suchen wir also jetzt nach jemandem, der sich sowohl ein Lehmauge als auch das Pergament verschafft hat, das den Golem lebendig werden lässt. Wer könnte das sein?«
    »Niemand.« Tallow verschränkte die Finger und ließ die Knöchel wie eine Gewehrsalve knacken. »Das ist doch absurd! Diese Dinger gibt’s nicht mehr. Mandrakes Dämon hat ein Schrumpffeuer verdient. Und was Mandrake selber betrifft, Madam, so ist ausschließlich er für diese Katastrophe verantwortlich.«
    »Sie scheinen sich ja gut auszukennen«, warf der Panter ein, gähnte ausgiebig und entblößte dabei sein prächtiges Gebiss. »Es ist zwar richtig, dass sich das Pergament auflöst, sobald es dem Golem aus dem Mund genommen wird, und dem Bannspruch zufolge muss das Ungeheuer dann zu seinem Herrn und Meister zurückkehren und wieder zu Lehm werden, damit auch sein Körper nicht am Leben bleibt, doch sein Auge wird dabei nicht zerstört. Es kann mehrmals benutzt werden. Deshalb könnte sehr wohl hier im heutigen London so ein Auge existieren. Herrje… Sie werden ja ganz gelb im Gesicht!«
    Tallow fiel vor Wut die Kinnlade herunter. »Mandrake… weisen Sie dieses Vieh in die Schranken, sonst haben Sie die Konsequenzen zu tragen!«
    Nathanael wurde sofort wieder ernst. »Sehr wohl, Mr Tallow. Still, Sklave!«
    »Hoppla! Bitte vielmals um Verzeihung, ehrlich.«
    Jessica Whitwell hob die Hand. »Trotz seiner Unverschämtheit hat der Dämon zumindest in einer Hinsicht Recht. Es gibt noch Golemaugen. Vor zwei Jahren habe ich sogar selbst eins gesehen.«
    Julius Tallow hob die Augenbraue. »Tatsächlich, Madam? Und zwar wo?«
    »In der Sammlung von jemandem, an den wir uns aus gutem Grund alle erinnern. Ich spreche von Simon Lovelace.«
    Nathanael fuhr zusammen und es lief ihm kalt über den Rücken. Der Name ließ ihn immer noch nicht gleichgültig. Tallow zuckte die Achseln. »Lovelace ist lange tot.«
    »Ich weiß…«, erwiderte Miss Whitwell geistesabwesend, lehnte sich in ihrem Sessel zurück und drehte ihn so, dass sie auf ein anderes Pentagramm blickte, ähnlich dem, worin der Panter saß. Das Zimmer hatte mehrere davon aufzuweisen, jedes war ein bisschen anders gezogen. Sie schnippte mit den Fingern, und ihr Dschinn erschien, diesmal von oben bis unten in Bärengestalt. »Shubit«, sagte sie, »du begibst dich sofort in den Artefaktenschatz unter dem Sicherheitsministerium und suchst die Sammlung Lovelace heraus. Sieh alles gründlich durch. Unter anderem müsste ein aus Lehm modelliertes Auge dabei sein. Das bringst du

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