Bartimäus 02 - Das Auge des Golem
reist.«
Kitty
18
Eigentlich ließ Kitty kaum etwas an sich herankommen, das nichts mit der Gruppe zu tun hatte, aber am Tag, nachdem der Dauerregen aufgehört hatte, machte sie sich wieder einmal auf den Weg, ihre Eltern zu besuchen.
In der für den Abend anberaumten Krisensitzung sollte die Widerstandsbewegung endlich erfahren, worin der große Coup bestand, der all ihre Wünsche wahr werden lassen sollte. Noch kannte niemand irgendwelche Einzelheiten, doch schon jetzt lag im Laden eine fast quälende Vorahnung in der Luft, eine bedrückende Spannung und Ungewissheit, die Kitty entsetzlich nervös machte. Schließlich gab sie ihrer Unruhe nach und ging früher als sonst, kaufte an einem Stand einen kleinen Blumenstrauß und nahm den überfüllten Bus nach Balham.
Die Straße war so still wie eh und je, das kleine Haus sah hübsch und gepflegt aus. Kitty klopfte energisch, kramte gleichzeitig in ihrer Tasche nach dem Schlüssel und klemmte dabei die Blumen, so gut es ging, zwischen Kinn und Schulter. Bevor sie den Schlüssel fand, näherte sich hinter dem Glas ein Schatten, ihre Mutter öffnete und lugte argwöhnisch durch den Türspalt.
Ihre Augen leuchteten auf. »Kathleen! Wie schön! Komm rein, Schätzchen!«
»Hallo, Mama. Die sind für dich.«
Es folgte ein umständliches Ritual aus Küssen und Umarmungen, zwischendurch wurden die Blumen begutachtet und Kitty versuchte, sich an ihrer Mutter vorbei in den Flur zu drängen. Schließlich schafften sie es, die Tür zu schließen, und Kitty wurde durch den Flur in die vertraute, kleine Küche geschoben, wo ein Topf Kartoffeln auf dem Herd blubberte und ihr Vater am Tisch saß und seine Schuhe wienerte. In der einen Hand die Bürste, in der anderen den Schuh, stand er auf, hielt ihr die Wange zum Kuss hin und zeigte auf einen leeren Stuhl.
»Ich hab ein Ragout im Ofen, Schätzchen«, sagte Kittys Mutter. »Braucht keine fünf Minuten mehr.«
»Oh, lecker!«
»Also…« Kittys Vater zögerte, dann legte er die Bürste auf den Tisch und den Schuh mit der Sohle nach oben daneben und lächelte seine Tochter breit an. »Na, was gibt’s Neues von den Pinseln und Farbpötten?«
»Nichts Besonderes, aber ich hab noch viel zu lernen.«
»Und Mr Pennyfeather?«
»Der wird allmählich ein bisschen klapprig. Ist nicht mehr so gut zu Fuß.«
»Ach herrje. Und die Geschäfte? Habt ihr eigentlich auch Zauberer unter euren Kunden? Malen welche von denen?«
»Nicht viele.«
»Das muss dein Ziel sein, Mädchen. Da sitzt das Geld!«
»Ja, Papa. Unser Ziel sind die Zauberer. Und wie sieht’s bei dir aus?«
»Ach, wie immer. Um Ostern rum hab ich sehr gut verkauft.«
»Ostern ist doch schon ewig her, Papa.«
»Es läuft nicht so doll. Wie wär’s mit einer Tasse Tee, Iris?«
»Nicht vor dem Essen.« Ihre Mutter war damit beschäftigt, ein drittes Besteck zu holen und den Platz vor Kitty mit ganz besonderer Sorgfalt zu decken. »Ach, Kitty«, seufzte sie, »ich begreife nicht, warum du nicht wieder zu uns ziehst. Du hättest es nicht weit und billiger käme es dich auch.«
»Die Miete ist nicht hoch, Mama.«
»Schon, aber das Essen und alles. Du musst so viel dafür ausgeben, dabei könnten wir hier für dich mitkochen. Das ist doch rausgeschmissenes Geld!«
»Mm.« Kitty nahm die Gabel und klopfte damit geistesabwesend auf den Tisch. »Wie geht’s Mrs Hyrnek?«, erkundigte sie sich. »Und Jakob… habt ihr den in letzter Zeit mal gesehen?«
Ihr Mutter hatte ein Paar große Topfhandschuhe übergezogen und kniete vor dem Backofen, aus dessen Klappe ein nach pikant gewürztem Fleisch duftender Dampfschwall quoll. Ihre Stimme hallte eigenartig, als sie darin herumfuhrwerkte. »Jarmila geht es so weit ganz gut«, antwortete sie. »Jakob hilft ja seinem Vater in der Werkstatt, aber gesehen hab ich ihn nicht. Er sitzt immer nur zu Hause. Alfred, holst du mal bitte den Holzuntersetzer? Der Bräter ist glühend heiß. Danke.
Und kannst du die Kartoffeln abgießen? Du solltest ihn mal besuchen gehen, Schätzchen. Der arme Junge freut sich bestimmt über ein bisschen Gesellschaft. Besonders über deine. Es ist so schade, dass ihr euch gar nicht mehr trefft.«
Kitty runzelte die Stirn. »Das hast du früher aber anders gesehen, Mama.«
»Ach, die ganze Geschichte ist doch schon ewig her… Inzwischen bist du viel vernünftiger. Ach ja, und die Großmutter ist gestorben, hat Jarmila gesagt.«
»Was? Wann denn?«
»Irgendwann letzten Monat. Sieh mich nicht so an…
Weitere Kostenlose Bücher