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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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schwarzhaarige Frau mittleren Alters grinste sie über Mr Pennyfeathers rechte Schulter an. Rechts neben Kitty hob ein pickeliger Jugendlicher den Blick von einer eselsohrigen Motorradzeitschrift, lächelte aber nicht. Von der Frau hinter der Säule sah man nur die schwarze Jacke über der Stuhllehne. Kitty verrenkte sich den Hals und erspähte an anderen Tischen noch zwei junge, ernste Gesichter, die zu ihr herüberblickten.
    »Sie sehen, es besteht kein Grund zur Sorge«, sagte Mr Pennyfeather. »Sie sind hier unter Freunden. Wer weiter weg sitzt, kann uns nicht hören, und Dämonen sind auch keine da, das wüssten wir.«
    »Woher?«
    »Für Fragen ist später noch genug Zeit. Aber vorher muss ich mich bei Ihnen entschuldigen. Ich fürchte, Frederick, Martin und Timothy kennen Sie bereits.« Wieder sah ihn Kitty verständnislos an. Das schien allmählich zur Gewohnheit zu werden. »Vorhin in der Nebenstraße«, half ihr Mr Pennyfeather auf die Sprünge.
    »In der Nebenstraße? Moment mal…«
    »Die drei haben den Mauler auf Sie losgelassen. Halt! Bitte gehen Sie nicht! Es tut mir Leid, dass wir Ihnen einen Schrecken eingejagt haben, aber wir mussten uns vergewissern, verstehen Sie? Dass Sie wie wir über gewisse Abwehrkräfte verfügen. Das Maulerglas war zufällig zur Hand und da dachten wir…«
    Kitty fand ihre Stimme wieder: »Sie Schwein! Sie sind genauso ein Mistkerl wie Tallow! Sie hätten mich umbringen können!«
    »Aber nein. Ich sagte doch bereits, das Schlimmste, was ein Mauler anrichten kann, ist, jemanden so zu betäuben, dass er bewusstlos wird. Sein Gestank…«
    »Das reicht ja wohl schon!« Kitty sprang wütend auf.
    »Wenn Sie wirklich gehen wollen, dann vergessen Sie das hier nicht.« Der alte Mann zog einen dicken weißen Umschlag aus seinem Jackett und warf ihn verächtlich zwischen die Tassen auf den Tisch. »Das sind sechshundert Pfund. Gebrauchte Scheine. Ich halte Wort.«
    »Ich will Ihr Geld nicht!« Kitty war fuchsteufelswild. Am liebsten hätte sie das Geschirr zerschmissen.
    »Seien Sie nicht dumm!« Der Alte funkelte sie an. »Wollen Sie etwa im Marshalsea-Gefängnis vermodern? Dort werden nämlich Leute eingesperrt, die ihre Schulden nicht bezahlen. Den Umschlag haben Sie sich auf jeden Fall verdient. Betrachten Sie das Geld als Entschädigung für den Mauler. Aber es könnte auch der Auftakt…«
    Kitty griff nach dem Umschlag und fegte dabei um ein Haar die Tassen vom Tisch. »Sie sind ja übergeschnappt, Sie und ihre komischen Freunde! Na gut, ich nehm’s. Deswegen bin ich schließlich gekommen.« Sie stand immer noch da. Dann stieß sie ihren Stuhl zurück.
    »Wollen Sie wissen, wie es bei mir angefangen hat?« Mr Pennyfeather beugte sich jetzt weit vor, krallte die verkrümmten Finger ins Tischtuch und zerknüllte es. »Früher ging es mir wie Ihnen, die Zauberer waren mir egal. Ich war jung, glücklich verheiratet… was ging mich das alles an? Dann warf ein Zauberer ein Auge auf meine liebe Frau, Gott hab sie selig. Er war Ihrem Mr Tallow nicht unähnlich, ein sadistischer, großspuriger Fatzke. Er wollte sie besitzen, versuchte sie mit Schmuck und kostbaren Seidengewändern zu ködern. Aber meine Frau, das arme Ding, wies seine Annäherungsversuche zurück und lachte ihn aus. Das war zwar mutig, aber dumm. Inzwischen wünschte ich, und das schon seit dreißig Jahren, sie hätte ihn erhört.
    Unsere Wohnung lag über meinem Laden, Miss Jones. Tag für Tag arbeitete ich bis spätabends, sichtete mein Lager und brachte das Kassenbuch auf den neuesten Stand, während meine Frau schon nach oben ging und das Abendessen richtete. Eines Abends saß ich wie üblich an meinem Schreibtisch. Im Kamin brannte ein Feuer. Mein Stift kratzte übers Papier. Auf einmal brachen die Hunde auf der Straße in jämmerliches Geheul aus und kurz darauf flackerte das Feuer und erlosch, nur die heißen Kohlen fauchten gespenstisch. Ich stand auf. Ich fürchtete schon… aber was eigentlich, wusste ich selbst nicht. Und dann… dann hörte ich meine Frau schreien. Es war ein lauter Schrei, der plötzlich abbrach. In meinem ganzen Leben bin ich nicht so gerannt. Ich lief die Treppe hoch, stolperte vor lauter Hast, stürzte durch die Wohnungstür in unsere kleine Küche…«
    Mr Pennyfeather sah Kitty nicht mehr. Er schien in weite Ferne zu blicken. Mechanisch, ohne recht zu wissen, was sie tat, setzte sich Kitty wieder hin und wartete.
    »Das Ding, das es getan hatte«, fuhr Mr Pennyfeather

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