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Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers

Titel: Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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gewundene Fühler zogen sich in gespieltem Schrecken zurück.
    Ihr Menschen wisst wirklich nicht, was ihr wollt. Angeblich kennt ihr nichts Schöneres als Ruhe und Ordnung, und was ist bei euch los? Aufruhr, Gewalt, Zank und Hader, wohin man sieht. Da geht es bei uns wesentlich friedlicher zu. Aber vielleicht kann ich etwas tun, damit du dich wohler fühlst. Bleib du ruhig fürs Erste bei deinem reizenden Abbild und geh vorsichtig damit um. Sonst fallen dir noch die Ärmchen ab und das ganze Kunstwerk ist im Eimer.
    In Kittys näherer Umgebung unterzog sich der Materiestrom einer umfassenden Verwandlung. Die Lichtschlieren wurden länger und breiter und verdichteten sich zu Flächen. Kringel und Spiralen streckten sich, knickten im rechten Winkel ab, verbanden sich miteinander und verzweigten sich wieder. Im Nu war Kitty von einer Art Gebäude umgeben. Es war ein offener, von eckigen Pfeilern eingefasster Raum mit durchsichtigem Fußboden und einem schlichten, ebenfalls durchsichtigen Flachdach. Ringsherum führte eine kurze Treppe abwärts in den unvermindert wallenden Strudel.
    Angesichts dieses Trugbilds eines beständigen Ortes befiel Kitty auf einmal Angst vor der Leere. Ihr Abbild kauerte sich verschüchtert in der Mitte auf den Boden, möglichst weit vom Rand entfernt.
    Gefällt’s dir?
    Es ist… nicht übel. Aber wo bist du?
    Ich bin hier. Du brauchst mich nicht zu sehen.
    Es wäre mir aber lieber.
    Na gut, wenn’s denn sein muss. Schließlich bin ich der Gastgeber.
    Der Junge mit dem alterslosen Gesicht trat zwischen den Pfeilern hervor. Auf der Erde hätte er sicherlich als gut aussehend gegolten, hier jedoch wirkte er strahlend schön. Sein ebenmäßiges Gesicht war heiter und gelassen, seine Haut zart und frisch. Er kam geräuschlos heran und blieb vor Kittys wackelköpfigem, hühnerbrüstigem Abbild mit den Elefantenbeinen stehen.
    Herzlichen Dank, dachte Kitty sarkastisch, jetzt geht es mir natürlich schon viel besser.
    Das hier bin ebenso wenig ich, wie du das dort bist. Genau genommen hast du den gleichen Anteil an dieser Gestalt wie ich. Wir vom Anderen Ort kennen kein Ich und Du.
    Bevor du gekommen bist, hatte ich aber schon den Eindruck. Die anderen meinten, ich sei hier nicht willkommen, ich würde sie quälen.
    Nur deshalb, weil du immerzu versuchst, uns eine Ordnung aufzuzwingen. Ordnung bedeutet Beschränkung. Wir wollen uns aber nicht einschränken oder festlegen. Sei es nun ein schiefes Strichmännchen, eine Kugel oder ein »Haus« wie dieses,so etwas gehört nicht hierher und muss verschwinden. Jede Art Beschränkung bereitet uns Qualen.
    Der Junge stellte sich zwischen die Pfeiler und beobachtete die vorbeiziehenden Lichter. Kittys Stellvertreterin torkelte hinterdrein.
    Bartimäus…
    Namen, Namen, Namen! Die schlimmsten Beschränkungen, der übelste Fluch überhaupt. Namen sind gleichbedeutend mit Knechtschaft. Hier sind wir alle eins, für uns sind Namen Schall und Rauch. Und was tun die Zauberer? Verschaffen sich mittels Beschwörungen Zutritt, entführen uns mit Gewalt, zerren uns erbarmungslos Batzen für Batzen durch die Pforte. Hat ein Batzen die Pforte passiert, legt man ihn fest, weist ihm einen Namen und bestimmte Fähigkeiten zu, die ihn von allen anderen unterscheiden. Und dann? Wir machen Possen wie dressierte Affen, um unseren Herrn gnädig zu stimmen, damit er einigermaßen pfleglich mit unserer empfindlichen Substanz umgeht. Auch wenn wir irgendwann hierher zurückkehren, die Angst bleibt. Wer einmal einen Namen hat, der kann beschworen werden, bis seine Substanz völlig verschlissen ist.
    Er wandte sich um und tätschelte Kittys Abbild den knolligen Hinterkopf.
    Dich bringt unsere Verbundenheit so aus der Fassung, dass du krampfhaft an dieser Missgeburt festhältst – das soll beileibe keine Beleidigung sein –, statt dich einfach unserem Strom zu überlassen. Für uns ist es auf der Erde gerade umgekehrt. Dort sind wir plötzlich vom großen Strom abgeschnitten, allein und verletzlich in einer schauderhaft beschränkten Welt. Die Gestalt zu wechseln, verschafft uns eine gewisse Erleichterung, aber das hält nicht lange vor. Kein Wunder, dass manche von uns grantig werden.
    Kitty schenkte seinem Monolog keine Aufmerksamkeit. Sie fand ihre Schöpfung so hässlich, dass sie nur damit beschäftigt war, den Kopf zu verkleinern und mit dem überschüssigen Material den mageren Körper aufzupolstern. Sie hatte auch die Nase ein bisschen zierlicher gestaltet und den Mund

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