Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
jetzt ist ja alles wieder in Ordnung. Unser Herr und Meister wird erfreut sein – zumindest was meinen Einsatz betrifft.« Er bedachte mich mit einem scheelen Blick.
Jetzt, da ich wieder auf den Beinen war, hatte ich keine Lust mehr, mich mit ihm zu kabbeln. Ich ließ den Blick über die umliegenden Häuser schweifen. Die Verwüstung hielt sich in Grenzen. Ein paar eingedrückte Dächer, zerbrochene Fenster – wie beabsichtigt war das Scharmützel unauffällig verlaufen. »Was waren das überhaupt für welche? Franzosen?«
Der Zyklop zuckte die Achseln, was angesichts seiner Halslosigkeit durchaus anerkennenswert war. »Kann sein, vielleicht aber auch Tschechen oder Spanier. Wer weiß das schon. Heutzutage hacken die doch alle auf uns rum. Tja, die Zeit drängt, ich mach mich mal an die Verfolgung. Bleib du ruhig hier, Bartimäus, und widme dich deinen Wehwehchen. Versuch’s doch mal mit Pfefferminztee oder einem Kamillenfußbad, das ist bei alten Leutchen sehr beliebt. Adieu!«
Der Zyklop schürzte den Kittel und schwang sich schwerfällig in die Lüfte. Flügel sprossen ihm aus dem Rücken und er entfernte sich mit kräftig pflügenden Schwingenschlägen. Er besaß die Grazie eines fliegenden Aktenschranks, aber wenigstens hatte er noch genug Kraft zum Fliegen. Ich nicht. Jedenfalls nicht ohne eine kleine Verschnaufpause.
Das dunkelhaarige Mädchen schleppte sich zu einem zerschmetterten Schornstein im nächstbesten Garten. Schnaufend und schwerfällig wie ein Greis nahm es darauf Platz und stützte den Kopf in die Hände. Dann schloss es die Augen.
Nur ein kurzes Päuschen. Allerhöchstens fünf Minuten.
Stunden vergingen, der Morgen dämmerte. Die Sterne am Himmel erloschen.
Nathanael
2
Wie er es sich seit einigen Monaten angewöhnt hatte, nahm der große Zauberer John Mandrake sein Frühstück im Salon ein, im Korbsessel gleich am Fenster. Die schweren Vorhänge waren nachlässig zurückgezogen, der Himmel vor dem Fenster war bleigrau, zähe Nebelschwaden wanden sich durchs Geäst der Bäume auf dem Platz.
Das runde Tischchen aus libanesischem Zedernholz verströmte einen angenehmen Duft, wenn es von der Sonne erwärmt wurde, aber an diesem Morgen war die Platte dunkel und kalt. Mandrake goss sich Kaffee ein, hob die silberne Servierglocke vom Teller und machte sich über Curryrührei mit Speck her. In einem Ständer hinter dem Toast und der Stachelbeerkonfitüre warteten eine säuberlich gefaltete Zeitung und ein Brief mit blutrotem Siegel. Mandrake führte mit der linken Hand die Kaffeetasse zum Mund und schlug mit der rechten die Zeitung auf. Nach einem Blick auf die Titelseite brummte er etwas Abfälliges und griff nach dem Brief. Der Postständer hatte einen Haken, woran ein elfenbeinerner Brieföffner hing. Mandrake legte die Gabel weg, schlitzte den Umschlag geschickt auf und zog einen gefalteten Bogen Büttenpapier heraus. Er las sich das Schreiben gründlich und mit gefurchter Stirn durch, faltete es wieder zusammen, steckte es in den Umschlag zurück, seufzte und widmete sich weiter seinem Frühstück.
Es klopfte. Den Mund voll Speck, nuschelte Mandrake: »Herein.« Die Tür öffnete sich leise und eine junge, schlanke Frau mit einer Aktentasche unterm Arm trat ein.
Sie blieb unschlüssig stehen. »Tut mir Leid, Sir«, sagte sie, »bin ich zu früh?«
»Ach was, Piper, überhaupt nicht.« Mandrake winkte sie heran und deutete auf den Sessel gegenüber. »Haben Sie schon gefrühstückt?«
»Jawohl, Sir.« Die junge Frau setzte sich. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm und eine gestärkte weiße Bluse. Das glatte braune Haar war straff aus dem Gesicht gekämmt und im Nacken aufgesteckt. Die Aktentasche behielt sie auf dem Schoß.
Mandrake spießte einen Happen Rührei auf. »Entschuldigen Sie, dass ich weiteresse, aber ich war wegen der jüngsten Vorfälle bis drei Uhr nachts auf den Beinen. Diesmal war Kent betroffen.«
Miss Piper nickte. »Ich habe schon davon gehört, Sir. Im Ministerium wurde eine interne Mitteilung herumgeschickt. Hatten Sie Erfolg?«
»Ja, zumindest laut meiner Kugel. Ich habe einen Trupp Dämonen hingeschickt. Aber darüber wissen wir bald mehr. Was haben Sie heute Schönes für mich?«
Die junge Frau öffnete die Aktentasche und entnahm ihr etliche Schriftstücke. »Die Vorschläge der Staatssekretäre für die Werbekampagnen in den Außenbezirken zum Gegenzeichnen, ein paar neue Plakatentwürfe…«
»Zeigen Sie her.« Der Zauberer trank einen Schluck Kaffee
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