Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
umzusetzen.
Nathanael
12
Der Abend hatte sich auf den Landsitz des Premierministers in Richmond gesenkt. Auf dem Rasen waren hohe Säulen aufgestellt, auf denen bunte Koboldfackeln brannten und die ganze Anlage in überirdisches Licht tauchten. Farbenprächtig als Feuervögel und Salamander gewandete Lakaien huschten umher und boten Erfrischungen an. Hinter der schwarzen Wand der Bäume am anderen Teichufer spielte ein unsichtbares Orchester eine Pavane, deren liebliche Klänge über den Gesprächen der Gäste schwebten.
Die Mächtigen des Reiches verlustierten sich im Garten, plauderten gedämpft und gelangweilt und sahen immer wieder verstohlen auf ihre Armbanduhren. Sie waren formell in Abendkleid und Frack erschienen und verbargen die Gesichter hinter kunstvollen Tier-, Vogel-und Dämonenmasken. Der vergnügungssüchtige Devereaux hatte ein Faible für solche Veranstaltungen und sie fanden seit Kriegsbeginn immer öfter statt.
John Mandrake lehnte an einer Säule und beobachtete die anderen Gäste. Seine Maske war mit Mondsteinsplittern bestickt, die so geschickt angeordnet waren, dass sie an den Kopf einer Albinoeidechse erinnerten. Ein echtes Kunstwerk, aber leider saß die Maske nicht richtig. Sein Blickfeld war eingeschränkt und er war schon zweimal in ein Blumenbeet getreten. Er seufzte. Immer noch keine Nachricht von Bartimäus. Inzwischen musste er doch irgendetwas herausbekommen haben!
Ein Grüppchen kam vorbeigeschlendert, ein von zwei gespannt lauschenden Luchsdamen und einer unterwürfigen Dryade eskortierter Pfau. An der Wampe und dem großspurigen Auftreten erkannte Mandrake Mr Collins, die beiden Frauen waren vermutlich ihm unterstellte Zauberinnen, die nach einer Beförderung schielten. Mandrakes Miene verfinsterte sich. Collins und die anderen Minister waren sofort über ihn hergefallen, als er in der Kabinettssitzung den Zauberstab aufs Tapet gebracht hatte. Den Rest der Sitzung hatte er ihre zweideutigen Bemerkungen und Devereaux’ eisige Blicke aushalten müssen. Keine Frage, sein Vorschlag war unbesonnen gewesen, für einen Politiker ein grober Schnitzer.
Zum Teufel mit der Politik! Ihre Konventionen erstickten ihn, er kam sich vor wie eine Fliege im Spinnennetz. Er war nur noch damit beschäftigt, Devereaux zu beschwichtigen und sich seiner Rivalen zu erwehren. Was für eine Zeitverschwendung! Irgendjemand musste dringend wieder für Ordnung im Reich sorgen, ehe es zu spät war. Irgendjemand musste den anderen Ministern die Stirn bieten und endlich den Stab zum Einsatz bringen.
Vor der Abfahrt aus Whitehall hatte Mandrake dem Kellergewölbe unter dem Skulpturensaal einen Besuch abgestattet. Er war seit Jahren nicht mehr dort unten gewesen, und als er jetzt am Fuß der Treppe stand, stach ihm gleich die Reihe roter Fliesen ins Auge, die am anderen Ende des Vorraums in den Boden eingelassen war. Ein wohlbeleibter Aufseher stand von seinem Tisch auf und kam auf ihn zu.
Mandrake grüßte ihn mit knappem Nicken. »Ich möchte einen Blick in die Schatzkammer werfen.«
»Selbstverständlich, Mr Mandrake. Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
Sie durchquerten den Vorraum. Vor dem roten Fliesenstreifen blieb der Angestellte stehen. »Ich muss Sie bitten, alle magischen Gegenstände abzulegen, die Sie eventuell bei sich tragen, und alle unsichtbaren Begleiter zu entlassen, Sir. Das hier ist eine Schranke. Jenseits des roten Balkens ist keinerlei Magie gestattet, nicht mal ein simpler Bann. Der geringste Verstoß hat schlimmste Folgen.«
Mandrake spähte in den düsteren kahlen Gang hinter dem roten Streifen. »Tatsächlich? Was denn für welche?«
»Darüber darf ich nicht sprechen, Sir. Sie haben nichts Übernatürliches anzumelden? Dann können wir weitergehen.«
Sie betraten ein Labyrinth aus kahlen gemauerten Gängen, das sogar noch älter war als die eigentlichen Parlamentsgebäude. Ab und zu kamen sie an einer Holztür oder einem unbeleuchteten Durchgang vorbei. Im Mittelgang brannten elektrische Glühbirnen. Mandrake sah sich gründlich um, aber nichts deutete auf irgendwelche Sicherheitsvorkehrungen hin. Der Aufseher blickte stur geradeaus und summte beim Gehen leise vor sich hin.
Schließlich standen sie vor einer mächtigen Stahltür. »Die Schatzkammer«, verkündete der Aufseher.
»Darf man sie betreten?«
»Davon würde ich abraten, Sir. Aber es gibt ein Guckloch, wenn Sie hineinschauen möchten.«
Mandrake trat näher, klappte die kleine Luke in der Tür auf und linste
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