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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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auch die Ruinen versunkener, längst namenloser Städte auf, zum Beispiel jene unweit des Flusses Tigris am Rande der Wüste. Von dieser Stadt künden heute nur noch ein paar flache Hügel. Die Stätte war im Lauf der Jahrhunderte schon oft geplündert worden, aber den größten Schatz – und zugleich den allerschrecklichsten – hatte noch niemand angetastet.«
    Salomo unterbrach sich und hustete, aber wahrscheinlich wollte der alte Schmierenkomödiant bloß die Spannung steigern. Mir fiel auf, dass er sich so hingestellt hatte, dass das Lampenlicht einen goldenen Glorienschein um sein Haupt malte. Sogar jetzt noch, da wir ihn seiner Macht beraubt hatten, war Salomo ein großartiger Schauspieler.
    Ich beobachtete auch das Mädchen. Asmira machte (wie üblich) ein finsteres Gesicht, aber sie hörte erstaunlich geduldig zu, vermutlich, weil ihr der Schreck darüber, dass der Ring sie verbrannt hatte, noch in den Gliedern saß.
    »Bevor ich dort eintraf«, nahm Salomo den Faden wieder auf, »hatte ein Erdbeben einen der kleineren Hügel erschüttert. Unter Sand und Erde waren ein Stück Lehmziegelmauer zum Vorschein gekommen, ein halb eingestürzter Torbogen und dahinter eine Treppe. Wie ihr euch sicher vorstellen könnt, war meine Neugier sofort geweckt! Ich nahm eine Fackel, stieg in die unergründliche Tiefe hinab und fand mich schließlich vor einer geborstenen Tür wieder. Ein Steinschlag hatte sie schon vor langer Zeit zerschmettert, und falls jemand sie mit einem magischen Siegel versehen hatte, war es längst aufgebrochen. Ich schlüpfte hindurch…«
    »Schwein gehabt!«, rief ich dazwischen. »Sumerische Grabkammern sind berüchtigt! Normalerweise hättet Ihr es mit haufenweise Siegeln und Zauberfallen zu tun gehabt.«
    »Ob ich wirklich Glück hatte«, sagte König Salomo gereizt, »mögt ihr beurteilen, sobald ich zu Ende erzählt habe. Und unterbrich mich gefälligst nicht. Ich schlüpfte also durch die geborstene Tür und stand in einer kleinen Kammer. In der Mitte…«, er erschauerte noch im Nachhinein, »…in der Mitte stand ein eiserner Stuhl und darauf war mit Stricken und Draht eine Mumie gefesselt. Ob der Betreffende einst ein Mann oder eine Frau gewesen war, kann ich nicht sagen, denn mich befiel tödliches Entsetzen und ich wollte nur noch weg von diesem Ort. Als ich mich zum Gehen wandte, sah ich es an einem der ledrigen Finger golden blinken. Die Gier des Sammlers überkam mich. Ich griff zu, der Finger brach ab, der Ring lag in meiner Hand. Ich steckte ihn an…«, er hielt die Hand ins Licht, sodass die Schwiele an seinem Finger feuerrot leuchtete, »und wurde von so unerträglichen Schmerzen übermannt, dass mir die Sinne schwanden.«
    Salomo trank einen Schluck Wein. Sogar ich wagte es ausnahmsweise nicht dazwischenzuquatschen. 103
    »Doch der Schmerz weckte mich auch wieder aus meiner Ohnmacht«, fuhr der König fort. »Ich wollte den Ring nur noch loswerden. Als ich daran zog, drehte er sich, und plötzlich fragte mich eine sanfte Stimme nach meinem Begehr. Ich hatte nur noch einen Wunsch – heimzukehren. Ein Schwindel erfasste mich, und im nächsten Augenblick stand ich auf dem Dach meines Jerusalemer Hauses in der warmen Sonne.«
    »Einfach so?« Asmira fiel die Kinnlade runter. Sogar der gut aussehende junge Sumerer, der schon einiges erlebt hatte, war unwillkürlich beeindruckt. 104
    »Einfach so«, bestätigte Salomo. »Ich fasse mich nun kurz, denn was dann kam, könnt ihr euch sicherlich denken. Bald wurde mir zweierlei klar. Erstens: dass mir der Ring unerhörte Macht verschafft. Die darin eingeschlossene Wesenheit versorgt mich mit unzähligen Sklaven, die mir jederzeit zu Diensten sind. Ich brauche nur an den Stein zu fassen. Drehe ich den Ring jedoch, erscheint der Geist persönlich. Ich kann mir alle meine Wünsche sofort erfüllen. Zweitens, und das ist weniger angenehm…« Er schloss kurz die Augen. »Zweitens verursacht der Ring seinem Träger schreckliche Schmerzen. Damit nicht genug, jedes Mal, wenn ich ihn anstecke, schwächt er mich mehr. Als ich noch jung und kräftig war, benutzte ich den Ring täglich. Ich erbaute diesen Palast, vergrößerte mein Reich, zwang die Herrscher der Nachbarländer, sich mir zu unterwerfen. Nach einer Weile setzte ich den Ring auch dazu ein, Not leidenden Menschen zu helfen. Das alles fällt mir in letzter Zeit immer schwerer.« Er seufzte tief. »Schon der harmloseste Einsatz strengt mich über Gebühr an und ich muss danach jedes Mal

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