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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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meilenlangen Kette hinter mir hergezogen, damit weder meine Substanz noch mein Augenlicht darunter litten. So aber musste ich mich damit begnügen, ihn in die beschriebenen Pergamentblätter von Salomos Schreibtisch einzuwickeln. 106 Das hielt zwar die schlimmste Hitze ab, aber die Aura des Ringes drang sogar durch diese dicke Verpackung, sodass meine Hand unangenehm kribbelte.
    Die Kleine war schon draußen. Ich folgte ihr und hielt die Kugel aus zerknülltem Pergament zimperlich in der ausgestreckten Hand wie ein unwilliger Sklave – was ich ja auch war. An der Tür drehte ich mich noch einmal um. Der König saß immer noch auf seinem Stuhl, das Kinn war ihm auf die Brust gesunken. Er wirkte greisenhafter denn je und schaute mich nicht an, versuchte auch nicht, den Diebstahl zu verhindern. Ihm war klar, dass ich den Ring selbst dann nicht zurückgeben durfte, wenn ich es gewollt hätte.
    Es gab nichts mehr zu sagen. Ich trat in den Flur hinaus und ließ König Salomo in seinem kargen Schlafgemach zurück.
     
    Dann durchquerte ich den Säulensaal, ging am Wasserbecken vorbei, an den Türen zum Observatorium und zur Schatzkammer, an den goldenen Tischen in all ihrer trügerischen Pracht und trat schließlich durch den Vorhang. Ich schlüpfte durch das Abwehrnetz und stand wieder auf dem Balkon.
    Über mir funkelten die fernen Sterne. Unter mir, jenseits der Gartenanlagen, schimmerten die Lichter des Palastes.
    Asmira stand an der Brüstung und blickte nach Süden. Sie hatte die Arme verschränkt, ihr langes dunkles Haar wehte in der frischen Brise.
    Ohne mich anzuschauen, fragte sie: »Hast du den Ring?«
    »Ja.«
    »Dann bring mich und ihn nach Saba. Wie, ist mir gleich. Verwandle dich in einen Vogel, eine Fledermaus oder irgendein Ungeheuer, Hauptsache, es geht schnell. Bei unserer Ankunft entlasse ich dich.« Für jemanden, der gerade einen lebensgefährlichen Auftrag erfolgreich abgeschlossen hatte, klang sie nicht besonders vergnügt. Eher stinksauer, um es deutlich zu sagen.
    Da war sie nicht die Einzige.
    »Dazu kommen wir gleich«, erwiderte ich. »Erst möchte ich dich noch etwas fragen.«
    Sie wies auf den südlichen Teil des Gartens, wo immer noch Lichter wie aufgescheuchte Wespen umherschwirrten. »Wir haben keine Zeit für überflüssige Fragen. Womöglich verständigt Salomo seine Wächter, und was dann?«
    »Wir haben ja jetzt das hier.« Ich hielt die Pergamentkugel hoch. »Das verschafft uns alle Zeit der Welt. Wenn die Wächter kommen, steckst du einfach den Ring an den Finger. Dann ergreifen sie die Flucht.«
    Sie erschauerte. »Red keinen Unsinn. Das kann ich nicht.«
    »Ach nein? Aber deine teure Königin soll die Schmerzen ertragen, was? Glaubst du, sie ist härter im Nehmen als du?«
    »Königin Balkis wird schon wissen, was zu tun ist«, lautete die abweisende Entgegnung.
    »Ach so?« Ich trat näher. »Vielleicht hast du nicht richtig verstanden, was König Salomo vorhin gesagt hat. Das war keine Lüge. Du hast die Macht des Ringes selbst gespürt, Asmira. Hast gehört, was der Ring mit seinem Träger anstellt. Willst du dieses unselige Ding wirklich auf die Welt loslassen?«
    Sie verlor einen Augenblick die Beherrschung. »Das hat Salomo längst getan! Es wird sich nichts ändern!«
    »Na ja, ich bin nicht gerade Salomos größter Anhänger, aber ich würde schon behaupten, dass er mit dem Ring einigermaßen verantwortungsbewusst umgeht.«
    »Pah! Er bedroht Saba!«
    »Das glaubst du immer noch? Ich habe euch beiden vorhin zugehört. Warum sollte Salomo abstreiten, dass er dein Land erpresst? Du warst seine Gefangene, es bestand kein Anlass, dir etwas vorzumachen. Inzwischen dürfte doch jedem, der nicht völlig auf den Kopf gefallen ist, klar sein, dass hier noch eine ganz andere Verschwörung im Gange ist, nämlich…«
    »Das tut nichts zur Sache!«, keifte das Mädchen. »Meine Königin hat mir einen Auftrag erteilt, und den führe ich aus. Basta. Ich muss ihr gehorchen, ob ich es nun sinnvoll finde oder nicht.«
    »Das Geschwätz einer Sklavin«, höhnte ich. »Du musst Balkis keineswegs blind gehorchen. Auch eine Königin kann sich irren, mag sie noch so klug und tugendhaft sein. Bevor du mit dem Dolch in der Hand in sein Schlafgemach geschlichen bist, war Salomo nicht euer Feind. Ich bin auch jetzt noch davon überzeugt, dass er dich hätte laufen lassen, wenn du den Ring einfach zurückgelegt hättest und – ja, da kannst du noch so schmollen, Fräuleinchen, das macht die Sache

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