Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
auch nicht besser!«
Asmira war wütend davongestapft – aber bei meinen letzten Worten wirbelte sie wie ein Derwisch herum. »Im Gegensatz zu einem gewissen treulosen Dämon, den man zu allem zwingen muss, sind mir meine Pflichten heilig«, verkündete sie. »Ich bin meiner Königin ergeben.«
»Was euch beide nicht davon abhält, Mist zu bauen«, sagte ich. »Wie alt ist deine Balkis eigentlich? Dreißig? Vierzig? Noch älter? Also ich kann zweitausend Jahre Erfahrung aufbieten, und sogar ich liege manchmal daneben. Als wir beide uns in der Schlucht begegnet sind, dachte ich zum Beispiel, an dir wäre etwas dran, ich habe dich für klug und geistig beweglich gehalten… ha! So kann man sich irren!«
»Hier geht es nicht um Klugheit«, gab die Kleine unwirsch zurück, womit sie den Nagel auf den Kopf traf. »Es geht um Vertrauen. Ich vertraue meiner Königin und gehorche ihr bedingungslos.«
»Bedingungslos?«
»Ja.«
»Stimmt nicht…« Jetzt kam’s! (Hatte ich mir extra für so eine Gelegenheit aufgehoben.) »Denn dann hättest du Salomo umbringen müssen. Warum hast du es nicht getan?«
Schweigen. Ich legte die Pergamentkugel auf die Balkonbrüstung, damit ich eine überlegene Pose einnehmen und die Arme vor der Brust verschränken konnte. Asmiras Hände zitterten kaum merklich, sie war verunsichert. »Weil es nicht erforderlich war. Ohne seinen Ring ist der König machtlos.«
»Trotzdem! Deine Königin hat dir befohlen, ihn zu töten. Wenn ich mich recht entsinne, war das deine Hauptaufgabe. Der Ring kam erst an zweiter Stelle.«
»Ohne den Ring ist Salomo ohnehin erledigt«, gab die Kleine zu bedenken. »Wenn seine Zauberer herausfinden, was los ist, ist er ein toter Mann.«
»Du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet. Warum hast du Salomo nicht getötet? Du hattest ihm schon den Dolch an die Kehle gesetzt. Du hättest auch mir befehlen können, ihn umzubringen. Ich habe schon viele Kreaturen abgemurkst, haufenweise. 107 Aber nein, wir haben uns einfach verdrückt und dem König nicht mal einen lahmen Arm oder eine tüchtige Brennnessel verpasst. Aller guten Dinge sind drei, und darum frage ich dich zum dritten Mal: Warum hast du Salomo nicht getötet?«
»Weil ich es nicht über mich gebracht habe!«, schrie das Mädchen. »Kapiert? Ich hab’s nicht über mich gebracht, als er da so vor mir saß. Ich hatte es mir fest vorgenommen, als ich mit dem Dolch vor ihn hintrat, aber er war wehrlos. Und das… Ach verdammt, ich konnte es einfach nicht! Salomo hat mich auch nicht umgebracht, als er Gelegenheit dazu hatte! Es wäre besser für ihn gewesen, aber er hat sich zurückgehalten. Und deswegen habe ich alles vermasselt.«
»Vermasselt?« Ich sah sie fest an. »So kann man es natürlich ausdrücken. Man könnte aber auch sagen…«
»Ist doch egal«, unterbrach sie mich. »Jetzt bringe ich den Ring nach Saba.« Im Dunkeln leuchtete ihr Gesicht wie ein grimmiger bleicher Stern. »Das wenigstens vermassele ich nicht!«
Ich richtete mich hoch auf. Jetzt ging’s ans Eingemachte. Ihre Selbstsicherheit war angeknackst, auch wenn sie sich Mühe gab, es zu verbergen. In diesem Fall konnte ich das Ganze womöglich abkürzen und mir den schmerzhaften Transport des Ringes ersparen. Wer weiß? Vielleicht war es ja auch die Rettung des Mädchens. »Lass mich mal eine Vermutung äußern«, sagte ich, und wieder war es von Vorteil, dass ich die Gestalt des sumerischen Speerträgers und keine meiner ausgefalleneren Erscheinungsformen angenommen hatte. Unbequeme Wahrheiten sind immer schwer zu schlucken, da braucht der Überbringer nicht unbedingt ein glotzäugiger Kobold, eine geflügelte Schlange, ein Gifthauch oder ein viergesichtiger Dämon 108 zu sein, um nur ein paar Beispiele zu nennen. »Du konntest Salomo nicht umbringen, weil du im Grunde deines Herzens wusstest, dass er die Wahrheit sagt, was Saba und den Ring betrifft. Nein, halt bitte einen Augenblick den Mund und hör mir zu. Das wiederum heißt, dass dir klar geworden ist, dass deine wundervolle Königin einem Irrtum aufgesessen ist. Das passt dir gar nicht. Das passt dir deswegen nicht, weil es bedeutet, dass Balkis dich unter falschen Voraussetzungen hergeschickt hat und du dein armseliges Leben umsonst aufs Spiel gesetzt hast. Es passt dir schon deshalb nicht, weil die Tatsache, dass auch deine Königin fehlbar ist, dein ganzes erbärmliches Leben und deinen blinden Gehorsam ihr gegenüber infrage stellt. Stimmt’s oder hab ich recht?
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