Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
rasche Folge roter Blitze auf die nahende Wolke ab. Leider zerstoben alle Blitze auf halbem Weg, als prallten sie gegen ein unsichtbares Hindernis, und ließen Wolken verpuffender Magie in den Himmel steigen oder aber als knisternde Funkenregen hinunter in den Garten trudeln, wo sie die Zypressen in Brand steckten.
Asmira zupfte unschlüssig an der Pergamentverpackung. Der Ring war ein kostbares Kleinod, das Königen und Königinnen gebührte. Wie konnte sie es wagen, ihn anzustecken? Sie war ein Niemand, nicht einmal eine verlässliche Wächterin war sie. Außerdem – wieder sah sie Salomos eingefallene Züge vor sich –, außerdem würde der Ring sie verbrennen.
»Willst du etwa, dass Khaba der Grausame den Ring bekommt?«, schrie Bartimäus zu ihr herab. »Steck das Ding an den Finger! Was bist du bloß für eine Herrin? Jetzt hast du endlich mal Gelegenheit, das Richtige zu tun!«
Der kleine grüne Dämon unter der Achsel des Dschinn kicherte glucksend. Asmira erkannte ihn erst jetzt. Es war Khabas Kreatur. Sie hatte ihn schon in der Schlucht zu Gesicht bekommen. »Die Kleine ist ‘ne Niete, Barti«, krähte der Foliot. »Sie hat sogar das Päckchen einfach hier auf die Brüstung gelegt! Ich hab’s schon aus ‘ner Meile Entfernung gesehen!«
Der Dschinn ging nicht darauf ein, sondern sprach eine knappe Formel. Der Foliot erstarrte mit offenem Mund, von einem Gespinst aus Rauch umhüllt. Während er weiterhin mit der einen Hand Blitze auf die Wolke abfeuerte, warf Bartimäus den Foliot mit der anderen in die Luft, fing ihn am Ohr wieder auf und schleuderte ihn dann schwungvoll in den nächtlichen Garten hinaus.
Im nächsten Augenblick flammte es in der heranfegenden Wolke hellblau auf.
»Asmira!«, sagte der Dschinn beschwörend.
Ein bläulicher Feuerstoß zerschmetterte die steinerne Brüstung. Von saphirblauen Flammen umlodert, wurde der Dschinn quer über den Balkon geschleudert, schepperte mitten durch die nächstbeste Statue und krachte mit verrenkten Gliedern gegen die Turmkuppel. Die Flammen züngelten über ihn hinweg, loderten noch einmal hoch auf und erloschen.
Der Dschinn rutschte die Kuppel hinunter, überschlug sich mehrmals und landete vor Asmiras Füßen im Schutt.
Asmira starrte erst den reglos Daliegenden an, dann das Päckchen in ihren Händen, dann endlich gab sie sich einen Ruck. Alle Unschlüssigkeit war verflogen. Sie rupfte die Pergamentblätter auseinander, spürte die sengende Hitze des Ringes…
Ein greller Blitz und die Gewitterwolke senkten sich auf den Balkon herab. Standbilder fielen um, Teile der Brüstung stürzten ein und kippten in den Garten. Der Sturm entlud sich über Asmira, warf sie mit Macht zu Boden. Sie landete auf dem Rücken und kreiselte mehrmals herum. Die Pergamentkugel war ihr aus den Händen geflogen und auf der Brüstung gelandet. Etwas Kleines, Goldenes kullerte heraus.
Der Sturm verebbte. In einem Kreis aus versengten Trümmern stand der Zauberer Khaba und blickte sich finster um.
Hinter ihm hob ein hoher, dunkler Schemen den Kopf. Flache Arme entließen den Zauberer aus ihrer Umschlingung. Lange, spitze Finger streckten sich aus und zeigten in Asmiras Richtung.
»Dort drüben«, sagte eine sanfte Stimme.
Asmira hatte sich den Kopf angeschlagen. Die Balkonbrüstung verschwamm vor ihren Augen. Trotzdem setzte sie sich mühsam auf und sah sich suchend nach dem Ring um.
Dort lag er – am Rand des gähnenden Abgrunds! Asmira war furchtbar schwindlig, aber sie krabbelte auf allen vieren darauf zu.
Hinter sich vernahm sie tappende Schritte, dann das Rauschen eines langen Gewandes.
Asmira krabbelte schneller. Die Hitze des Rings schlug ihr schon entgegen. Sie griff danach…
Eine schwarze Sandale drückte ihre Hand auf den Boden. Asmira rang erschrocken nach Luft und zog ihre Hand wieder unter der Sohle hervor.
»Nein, Cyrine!«, sagte der Zauberer. »Nein. Der Ring ist nicht für dich bestimmt.«
Mit der Sandalenkante versetzte er ihr einen schmerzhaften Tritt gegen die Wange. Asmira ließ sich nach hinten rollen und sprang auf. Doch ehe sie ihren Dolch zücken konnte, wurde sie von schwarzen Klauen um die Mitte gepackt und in die Höhe gerissen. Einen Augenblick sah sie nur dunklen Nachthimmel und flimmernde Sterne, dann wurde sie unsanft wieder auf dem Boden abgesetzt. Der eiserne Griff um ihren Leib und ihre Arme lockerte sich nicht. Sie spürte etwas Großes hinter sich stehen.
Der Ägypter beugte sich über den Ring und betrachtete ihn
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