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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Und den Opfertod deiner Mutter natürlich auch.«
    Asmira zuckte zusammen. Sie entgegnete lahm: »Du weißt überhaupt nichts von meiner Mutter.«
    »Ich weiß das, was du mir erzählt hast. Deine Mutter hat sich für ihre Königin geopfert.«
    Die Kleine schloss die Augen. »Ja. Und ich habe es mit angesehen.«
    »Und auch du bist davon ausgegangen, dass du bei dieser Unternehmung den Tod findest. Insgeheim hast du es sogar gehofft.« Das Gesicht des Mädchens wirkte auf einmal sehr blass und schmal. Ich trat etwas zurück und fragte leise: »Wann ist deine Mutter denn gestorben? Erst vor Kurzem?«
    »Nein, das ist lange her.« Sie sah mich an. Ihr Zorn war noch spürbar, aber er war dabei, in sich zusammenzufallen, und sie hatte Tränen in den Augen. »Ich war sechs Jahre alt. Die Bergstämme begehrten gegen die hohen Steuern auf und trachteten der Königin nach dem Leben.«
    »Hmmm«, sagte ich nachdenklich. »Ein Attentat auf einen unliebsamen Herrscher… kommt dir das irgendwie bekannt vor?«
    Das Mädchen schien mich gar nicht zu hören. »Meine Mutter hat die Männer aufgehalten. Sie…« Ihr Blick glitt über die Gärten. Unter uns war immer noch alles ruhig. Einer spontanen Eingebung folgend, nahm ich die Pergamentkugel von der Balkonbrüstung. Mir war eingefallen, dass man die gedämpfte Aura des Ringes womöglich von Weitem sehen konnte.
    Asmira lehnte reglos an der Brüstung. So kannte ich sie gar nicht. Natürlich hatte sie auch vorher schon mal still dagestanden, aber immer nur ganz kurz, eigentlich war sie immer in Bewegung. Ob es nun an meinen Worten lag, an der Erinnerung an ihre Mutter oder an etwas anderem, sie wirkte jedenfalls auf einmal gelähmt, ernüchtert und unsicher, was sie als Nächstes tun sollte.
    »Wenn ich den Ring hierlasse«, sagte sie dumpf, »was habe ich dann erreicht? Nichts. Dann fühle ich mich weiter so leer wie jetzt.«
    Leer? Der Speerträger kratzte sich das markante Kinn. Menschen und ihre Probleme… Nicht eben meine stärkste Seite. Mir war zwar inzwischen klar, dass das Mädchen seit Jahren seiner Mutter nacheiferte und jetzt – im Augenblick seines größten Triumphes – plötzlich nicht mehr von dem überzeugt war, was es tat, aber seine Verzweiflung machte mich ratlos. Psychologische Analysen sind heikle Angelegenheiten, 109 konstruktive Vorschläge waren eher mein Fall.
    »Pass auf«, sagte ich, »wir können Salomo den Ring immer noch zurückgeben. Er wird sich nicht an dir rächen, das hat er dir ja versprochen. Außerdem wäre er bestimmt viel zu erleichtert. Ich hätte aber auch noch eine Alternative, die du womöglich noch nicht in Betracht gezogen hast. Wir können den Ring einfach ins Meer werfen. Dann sind wir ihn ein für alle Mal los und alles wird gut: Niemand bedroht mehr dein Land, deine Königin muss keine Schmerzen ertragen und einer Menge Geister bleiben eine Menge Unannehmlichkeiten erspart.«
    Zu diesem Vorschlag äußerte sich Asmira weder zustimmend noch ablehnend. Sie stand nur mit hängenden Schultern da und blickte in die Nacht hinaus.
    Ich nahm noch einen Anlauf: »Diese Leere, von der du gesprochen hast… Ich glaube, sie ist nicht dein eigentliches Problem, Asmira. Du hast ein ganz anderes, und das besteht in deinem…« Ich verstummte jäh. Meine gemeißelten Nasenflügel zuckten – einmal – zweimal. Ich wandte witternd den Kopf hin und her.
    Das riss auch Asmira endlich aus ihrer Erstarrung. »Willst du etwa andeuten, dass ich müffle? Bei meinem geliebten Saba, ich habe wirklich andere Sorgen.«
    »Nein. Nicht du.« Ich spähte mit zusammengekniffenen Augen umher. Säulen, Statuen, Stühle – alles völlig unverdächtig. Und doch… aha! »Riechst du das auch?«, fragte ich.
    »Faule Eier«, antwortete das Mädchen. »Ich dachte, das kommt von dir.«
    »Mitnichten.«
    Ich huschte auf leisen Sohlen den Balkon entlang, blieb stehen, witterte, lauschte, huschte weiter, blieb wieder stehen, hielt abermals die Nase in die Luft. Ein rascher Schritt…
    Ich fuhr herum und zerschmetterte die mir zunächst stehende Statue mit einer Detonation in tausend Stücke.
    Asmira schrie auf, der Speerträger machte einen Satz. Glühende Steinsplitter prasselten gegen die Turmkuppel und hagelten auf den Balkonboden. Ich sprang mitten hinein, fegte die letzten Fetzen der violetten Wolke beiseite und zog den angekokelten Foliot hinter dem geborstenen Sockel der Statue hervor. Ich hielt ihn am grünen, sehnigen Nacken gepackt und hob ihn in die

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